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Aus der Deutschland-tazEs lebe das Indernet!

Die deutsche Wirtschaft würde gern mehr ausländische Fachkräfte anwerben. Doch die xenophobe Stimmung, die derzeit geschürt wird, steht dem entgegen.

Ein indisches Modell posiert für Aufnahmen mit dem neuen Dell Streak 3G Display, das am 5 Oktober 2010 in Bangalore der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Als Inder erntete man in Deutschland früher oft mitleidsvolle Blicke. Jedes Gespräch endete irgendwann bei der entsetzlichen Armut in Indien - bei Hunger, bettelnden Kindern oder der sonderbaren Praktik der Witwenverbrennung. Nachfragen gab es aber auch gern zum großen Mahatma Gandhi, zur tollen alten Philosophie, zu den unzähligen Tempeln und den heiligen Kühen. Kurz: Indien war seltsam und weit, weit weg.

Dann kam das Internet. Plötzlich war Indien nur noch einen Mausklick von Deutschland entfernt, und Städte wie Bangalore in Südindien stiegen zum Mekka einer verheißungsvollen digitalen Zukunft auf. Um nicht den Anschluss zu verpassen, wurde in Deutschland zu Anfang des neuen Jahrtausends, als die New Economy zum Höhenflug ansetzte, eine deutsche "Green Card" eingeführt, die 2004 durch das neue Zuwanderungsgesetz abgelöst wurde. Seither ist es möglich, gezielt IT-Experten und andere Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben.

Weil die Regelungen dafür aber noch immer ziemlich restriktiv sind, klagt die deutsche Wirtschaft heute schon wieder über einen Mangel an qualifiziertem Personal und fordert, mehr Zuwanderung zuzulassen. Doch so, wie einst der CDU-Politiker Jürgen Rüttgers mit dem Slogan "Kinder statt Inder" im Wahlkampf gegen die neue Green Card zu Felde zog, warnt nun sein CSU-Kollege Horst Seehofer vor Einwanderung aus "fremden Kulturkreisen". Da dünstet wieder dieses brennbare Gemisch aus Angst und Arroganz, der offene Ausdruck einer immer noch existenten Xenophobie. Dann wird der Patriot - diese Kreuzung aus Patria und Idiot! - laut und verletzend.

Luftzug im deutschen Haus

Bild: dpa

Ranga Yogeshwar, 51, erklärt in seiner ARD-Sendung "Wissen vor 8" den Deutschen die Welt.

Mit der Green Card wurde ein Spalt geöffnet, der einen kleinen Luftzug ins deutsche Haus ließ. Mancher fürchtete anfangs, draußen stünden Unzählige in freudiger Erwartung Schlange - als wäre Deutschland ein prall gefülltes Kaufhaus, Minuten bevor man im Schlussverkauf die Türen öffnet und die Konsumentenmeute die Wühltische überfällt. Tatsächlich kamen viel weniger als erwartet und von manchen erhofft. Bis zum 30. Juni 2003, so die amtliche Statistik, wurden nur 14.566 deutsche Green Cards vergeben. Auf die fleißigen Computerinder entfielen ganze 3.741 Stück!

Streng genommen waren es die veränderten Einwanderungsgesetze der USA, die den Boom der IT-Branche des Subkontinents überhaupt erst auslösten. In Kalifornien wehrte man sich Anfang der Neunzigerjahre gegen das Lohndumping durch die billigen indischen Softwareingenieure, die ins Land kamen und den kalifornischen Kollegen die Jobs wegnahmen. Als dann per Gesetz die Inder das Gleiche verdienen sollten wie die US-Ingenieure, wurden sie für viele Firmen plötzlich uninteressant.

Viele von ihnen kehrten in ihre tropische Heimat zurück, arbeiteten dank Kommunikationssatelliten, Überseekabel und ISO 9000 jedoch weiter für ihre Auftraggeber in den USA. Neben Hewlett-Packard und Sun Computers schätzten auch Lufthansa, Siemens und Co den Fleiß, den Einsatz, die Fantasie und die Qualität all der Lakshmanas oder Murtis - und all das für so kleines Geld! Über diese globale Hintertür entstand der Mythos vom IT-Land Indien, der dem Land ein neues Selbstwertgefühl gab.

Aber die Green Card hat auch eine andere Seite. Die Angst vieler Inder vor der tiefen sozialen und gesellschaftlichen Spaltung, die in den schicken Wohnvierteln von Bombay und Bangalore ihren Ausdruck findet, ist vermutlich weit begründeter als die Sorge mancher Deutscher vor "Überfremdung". Die Auswanderung rührt an Fundamenten der indischen Gesellschaft.

Wer die Heiratsgesuche im Deccan Herald oder in der Times of India liest, der stößt auf Sätze wie: "Schöne hellhäutige Frau aus guter Familie, Brahmanin, sucht Mann zwecks Heirat, Green-Card-Holder bevorzugt". Die grüne Karte öffnet Türen, die früher unerreichbar waren, und hat den Nimbus von Reichtum und Zukunft. Bei solchen Annoncen ist natürlich von der US-amerikanischen Green Card die Rede. Die Aussicht, nach Deutschland überzusiedeln, steht wohl nicht so hoch im Kurs.

Remake von "Green Card"

Aber vielleicht ändert sich das ja noch mal - und vielleicht traut sich dann sogar Hollywood an ein Remake des Erfolgsfilms "Green Card". Im Original mit Gerard Depardieu und Andie Mac Dowell funkt es am Ende sogar zwischen den beiden Opportunisten, von denen einer die US-Aufenthaltserlaubnis erlangen möchte und der andere dafür etwas Geld verlangt.

In "Green Card II" würde ich die Rollen mit Andie Mac Dowell und dem indischen Schauspielstar Sharukh Khan besetzen. Die Story aber wäre bedeutend komplizierter als in "Green Card I", denn die deutschen Nachbarn würden schon bald über die dauernde Unruhe im Haus klagen.

Sharukh Khan würde seiner deutschen Frau ein ordentliches "Subjee"-Gericht auftischen, vegetarisch und scharf gewürzt, und täglich kämen Aruns viele Freunde, Cousins und Kollegen vorbei, um Andies Reich zu belagern, in deren Dachgarten die Schattengewächse beim Dauerklang nordindischer Filmmusik zusammenzuckten. Und dann diese Unordnung …

Aber am Ende würden beide schließlich mit den Fotos ihrer Hochzeitsreise zum Taj Mahal die deutsche Ausländerbehörde überzeugen, dass ihre Hochzeit legal ist, und zum Beweis sähe man Andie mit Sari und Punkt auf der Stirn. Arun übernimmt einen IT-Job in Frankfurt am Main, und beide leben dort glücklich mit ihren acht Kindern in einer bescheidenen Mietwohnung irgendwo am Stadtrand. Oder vielleicht doch lieber in Neu-Delhi

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11 Kommentare

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  • Schon vergessen PETER?

    "Kinder statt Inder"

    - von wem nochmal stammte dieser dümmlich-aussortierende Wahlslogan? Auch wenn er nicht von Seehofer kam, so war er doch jedenfalls genau so gemeint wie er klingt: brandstifterisch!

  • S
    Schmeichler

    Ich würde es wirklich gutheißen, wenn über eine großzügige Zuteilung von Arbeitserlaubnissen für diese vielgepriesenen guten Hochschulabgänger nachdedacht wird.

    Womit ich ein Problem habe, ist, dass dieser Personenkreis zukünftig für noch weniger Gehalt hier arbeiten soll, als einem durchschnittlichen Hochschulabsolventen normalerweise zusteht.

    Mein Verständnis hört dann aber auf, wenn dieser Personenkreis dafür benutzt wird, die (Einstiegs-)Gehälter weiter zu drücken.

    Und um diesen Personenkreis langfristig an das Land zu binden, braucht es mehr als ein Arbeitsplatz...

  • J
    jonas

    @keetenheuve: es wird sie vermutlich überreaschen, aber sehr viele hochzeiten aus meiner türkischstämmigen bekanntschaft basieren auf sowas wie liebe und zuneigung. die frau wurde weder gekauft noch entführt oder geraubt und war auch nicht teil irgendeines deals.

    tatsächlich sind das ganz normale leute. also bitte kriminalisieren sie nicht jeden türken als frauenschänder und schläger.

     

    @peter: sie reichen der taz die nazikeule und dann schwingen sie die selber nochmal mit ihrem dämlichen pakistan kommentar? alle pakistani sind also "dauerbeleidigtt, fordernd und gewalttätig" und deshalb aus indien rausgeflogen? da spricht der aufgeklärte, tolerante, weltoffene bürger, den sich jeder zum nachbarn wünscht.

  • W
    WiLLy

    "xenophobe Stimmung" die derzeit geschürt würde. Da sag ich nun lieber nichts zu. Nur: lebt der wirklich hier in Deutschland?

  • H
    hto

    "Die deutsche Wirtschaft würde gern mehr ausländische Fachkräfte anwerben."

     

    Glauben sie das wirklich, Herr YOGESHWAR?

     

    Der Profit im Sinne von Ausbeutung und Unterdrückung stimmt, einzig die Angst vor Veränderung dieser "Ordnung" treibt die Mehrheit der Oberen zu diesen geradezu schizophrenen Aussagen - Xenophobie der egozentrischen Systemrationalität des "freiheitlichen" Wettbewerbs!?

  • M
    mio

    "Sharukh Khan würde seiner deutschen Frau ein ordentliches "Subjee"-Gericht auftischen, vegetarisch und scharf gewürzt, und täglich kämen Aruns viele Freunde, Cousins und Kollegen vorbei, um Andies Reich zu belagern, in deren Dachgarten die Schattengewächse beim Dauerklang nordindischer Filmmusik zusammenzuckten. Und dann diese Unordnung … "

     

     

    schön, dass ihr kein deut besser seid.

  • P
    Peter

    Gehts eigentlich auch mal ohne Nazikeule? Seehofer meinte mit Sicherheit keine Inder, als er von "fremden Kulturkreisen" sprach. Oder sind es etwa die Inder, die dauerbeleidigt, fordernd und gewalttätig in Erscheinung treten? Nein, die Inder haben sich selbst von diesem Kulturkreis distanziert, deshalb gibt es heute Pakistan.

     

    Daß sich die taz zum Sprachrohr der Wirtschaft nach billigen Arbeitskräften macht, verwundert mich.

     

    Was bitte hat dieser "Kreuzung aus Patria und Idiot!" die Einwanderung billiger Arbeitskräfte gebracht? Deren Sinn war es, die Lohnforderungen der einheimischen Arbeiter zu drücken. Arbeitskräfte gab es genug, nur die Arbeitgeber wollten nichts bezahlen!

     

    Die Folgekosten dieser unqualifizierten Einwanderung trägt heute wiederum diese Kreuzung aus Patria und Idiot!

     

    Die ständige Behauptung, es gäbe eine xenophobe Stimmung in diesem Land ist eine Beleidigung, die Tatsachen sprechen eine andere Sprache! Und Ranga ist ja wohl das beste Beispiel, daß Integration gelingen kann, und jeder, der hierher kommt und sich bemüht, alles erreichen kann!

  • S
    SabineMeili

    Das Rüttgers-Zitat ist falsch, wieso recherchiert heutzutage niemand mehr? Wenn selbst Ranga dabei durchfällt, dann gute Nacht, und apropos: Daten des neuen Pisa-Test ab Dienstag.

  • P
    Pitti

    Bilder

    Auf der einen Seite zeichnet der Autor ein Bild von Fleiß und Einsatz, Fantasie und Qualität, heiterer Geselligkeit, duftenden Aromen, berieselnden Klängen und einer funkelnden Romanze. Auf der anderen Seite das von Arroganz, Fremdenfeindlichkeit, nörgelnden Nachbarn, polternden Patrioten, Idioten, einer Behörde. Schön gemalt.

    Nicht Fleiß, Einsatz, oder Qualität haben dazu geführt, dass langjährige IT-Kollegen nach und nach durch indische ersetzt wurden, sondern unterschiedliche Lebenshaltungskosten. Längst nicht alle haben einen anderen Job gefunden. Wer KT (Knowledge Transfer) in den Aufgabenplan geschrieben bekommt, ist zum Abschuss freigegeben. Mit Betonung auf frei, schließlich könnte man ja noch Präsident von General So-und-so werden.

    "...klagt die deutsche Wirtschaft heute schon wieder über einen Mangel an qualifiziertem Personal und fordert..." Ich habe nicht über Mangel an qualifizierten Personal geklagt. Aber Wirtschaft, sind das denn nicht alle Wirtschaftsteilnehmer, also auch ich? Nach dem Verständnis des Autors offenbar nicht. Ich laufe nicht nur Gefahr weg-rationalisiert zu werden, sondern werde schon vorab vom Autor kurzerhand weg-definiert.

    3.741 Stück? Es geht nicht um das Stück Green-Card, sondern um Arbeitsplätze. Einige Wochen Aufenthalt in Deutschland zum KT, zurück nach Bangalore oder Mumbai, der Arbeitsplatz hier ist weg. Einige bleiben länger, bis der Arbeitsplatz übernommen ist, nur die Wenigsten bleiben mit GreenCard über Jahre (viel zu teuer hier). Auch wird vorm Arbeitsgericht nicht offen argumentiert, dass die oder der Betroffene gegen einen kaufkraftgünstigeren indischen Kollegen ersetzt werden soll. Was sagt mir also die vom Autor so beklagte niedrige Anzahl von Stück GreenCards? Nichts.

    Überstunden ohne Ende, Projektarbeiten an Feiertagen und Wochenenden, Weiterbildung in der Freizeit, Rufbereitschaft, meist ohne entsprechende Entschädigung. Dumm? Ja, vielleicht. Aber Fremdenfeindlichkeit oder Arroganz habe ich dabei nicht wahrgenommen. Wohl aber Angst, Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Auch ich habe Angst, Angst davor dass morgen KT in meinem Aufgabenplan steht. Aber deshalb bin ich noch lange kein Idiot.

  • K
    keetenheuve

    Yogeshwars idyllische Vorstellungen kontrastieren leider brutal mit der Wirklichkeit im türkisch-arabischen Zuwandererbereich (und nur hier gibt es bekannten Probleme).

    Die Frauenhäuser sind voll von Frauen aus eben der Gruppe, häusliche Gewalt wird immer stärker gerade dort festgestellt oder vermutet, zahllose Zwangsehen o. ä. werden gar nicht bekannt, Verwandtenehen sind die Regel (mit entsprechenden Folgen) usw. usw....

    Yogeshwars deutsch-indische Visionen lenken vom Problem ab.

  • K
    Kapitalistenblatt?

    Seit wann schwingt sich die linksrote Zeit zum Büttel der Kapitalisten und Unternehmer auf?! Schaut nach Japan. Die kommen ganz bewusst fast ohne Ausländer aus sind deshalb aber nicht weniger fortschrittlich!