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Aus dem Schneider

Schals und seidene Tücher fristen oft in Schubladen ihr trauriges Dasein. Dabei lassen sich daraus herrlich hippieske Kleider nähen

Von Waltraud Schwab (Text und Fotos)

Es kann diese Freude geben, dass im Winter eine Reise in den Sommer ansteht. Dorthin, wo die Sonne scheint, wo Palmen stehen, das Meer rauscht, exotische Früchte wachsen: Guaven, Papaya, Cherimoya, Pitahaya. Dekadent? Ja, schon. Schließlich muss dafür geflogen werden und das ist verwerflich. Fliegen schädigt die Umwelt und auch die Menschen, die den Lärm der Flugzeuge aushalten müssen. Doch es ist so einfach, sich über das, was nur vom Verstand her schlimm ist, der Klimawandel etwa, hinweg zu setzen. Und schon ist der Flug gebucht.

Trotzdem hat diese Reise in den Sommer zu einer Zeit, in der in aller Regel bei uns Winter ist, einen Haken. Dann nämlich, wenn die Reisende feststellt: Sie hat gar keine Klamotten für Hochsommerwetter auf der Kleiderstange hängen, und in Kaufhäusern wird nichts Diesbezügliches im Winter geboten.

Mal angenommen, das ist jetzt wirklich so und im Schrank der Reisenden finden sich weder T-Shirts, noch Blusen, noch federleichte Röcke oder Kleider, dann sei die Reisende jetzt aufgefordert, doch einmal einen Blick in jene Schublade zu werfen, in der ihre Schals und Tücher liegen. Wetten: Dort versteckt sich ein ungehobener Schatz: Tücher aus Seide, aus Baumwolle, aus Viskose, hauchzart, schön, und hundert Prozent seit Jahren nicht getragen.

Was die Reisende jetzt braucht, sind Fantasie und den Willen, aus Schals und Tüchern Kleidungsstücke zu machen. Noch im Flugzeug könnte sie sie zusammen nähen – sofern sie die Nadel im Handgepäck durch die Sicherheitskontrolle bekommt. Es gibt unzählige Möglichkeiten, etwas Schönes aus den Tüchern zu kreieren. Aus zwei Schals entsteht eine Tunika. Aus einem breiten langen Schal entsteht ein Kleid. Aus Tüchern gleicher Größe wird ein Rock gefertigt. Aus einem Seidentuch, das in der Mitte kreuzweise geschlitzt wird, entsteht ein Schulterüberwurf, so etwas Hauchzartes, das genau dann wie gerufen kommt, wenn die Reisende merkt, dass sie jetzt ihre Schultern bedecken muss, will sie nicht verbrennen.

Ein wenig Weltrettung

Im Ernst, es funktioniert. Da die Tücher meist aus so feinem Material sind, dass sie nicht mit herkömmlichen Haushaltsnähmaschinen bearbeitet werden können, muss per Hand genäht werden. Es empfiehlt sich, die Tücher mit einfachen Vorstichen – manche sagen auch Heftstiche dazu – zusammenzunähen, jenem Stich also, der mit rauf-runter-rauf-runter gut beschrieben ist. Bei jedem Stich sollen etwa fünf Millimeter übersprungen werden, fünf Millimeter oben auf dem Stoff, dann fünf Millimeter unter dem Stoff den Faden führen, rauf-runter-rauf-runter-immer-weiter. Mit dieser Technik können Sie einfarbigen Tüchern sogar ein Muster geben, indem sie die Tücher überlappend zusammennähen und mehrere Reihen dieses Stiches anwenden.

Schöner Müll Wie man alten Sachen eine neue Aufgabe gibt, beschreiben wir regelmäßig an dieser Stelle

Wichtig ist, dass Sie nicht perfektionistisch vorgehen, sondern das Simple und Improvisierte, das sich beim Zusammennähen mit dem Vorstich zeigt, als Teil des Designs stehen lassen. Ein wenig Hippie und Bohemien und Flower-Power und Weltrettung nicht beim Fliegen, aber zumindest beim Kleiderkonsum.

Dieser simple Vorstich hat zudem einen weiteren Vorteil: Stellen Sie im nächsten Sommer fest, dass Sie zu einer Reise in ein Land eingeladen werden, in dem dort in unserem Sommer deren Winter ist, können Sie die Fäden leicht wieder aus Ihrer improvisierten Sommergarderobe ziehen und voilà, die Teile sind zurückverwandelt in Schals und Tücher, die Sie sich um Hals und Kopf schlingen können. (Gut, manche Tücher sind jetzt geschlitzt in der Mitte, aber das tut dem Schalwesen keinen Abbruch.)

Ein Design, das aus einem Tuch und einem Schal gefertigt wurde, zeigen wir Ihnen hier. Wer weitere Designs wünscht, möge bitte an muell@taz.de schreiben.

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