Aus Protest gegen Krieg in Syrien: HU-Fakultät schon wieder besetzt
Kurdische Aktivist*innen besetzen am Donnerstag die sozialwissenschaftliche Fakultät der Humboldt-Universität. Sie sollen geräumt werden.
„Stoppt den Krieg in Nord- und Ostsyrien“ stand auf den Plakaten, mit denen Aktivist*innen am Donnerstagmittag das Institut für Sozialwissenschaften (ISW) der Humboldt-Uni in Mitte tapezierten. Die bis dahin etwa 60 Studierenden wollten mit einer Besetzung des öffentlichen Gebäudes gegen die türkische Militäroffensive in der nordsyrischen Selbstverwaltungszone Rojava und für einen „tatkräftigen Einsatz“ der Bundesregierung und der EU in dieser Sache demonstrieren. Von der HU forderten sie den „vollen akademischen Boykott der Türkei“.
Auch Murat Ö. war unter den Besetzer*innen. Der türkische Kurde ist an die HU gekommen, um hier seine Masterarbeit über den Umgang der Türkei mit historischen Kurdenstädten zu beenden. „Ich werde nicht zurück in die Türkei können, ich bin dort politisch aufgefallen“, sagt der Student. Es gehe beim Protest um mehr als nur die Okkupation von Nordsyrien, meint er. Rojava stehe auch für eine einzigartige alternative und zukunftsweisende Gesellschaftsform.
Würde aber ein akademischer Boykott nicht auch Ö.s Gaststudenten- und Aufenthaltsstatus gefährden? Auch persönliche Konsequenzen nähme er in Kauf. „Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht vor Ort bin“, erzählt der Kurde.
Die HU-Verwaltung setzte nach dem Urteil zu einer Besetzung von 2017 auf Konfrontation. Referatsleiter Erik Thielecke richtete aus, dass das HU-Präsidium ihm Weisung zur polizeilichen Räumung gegeben habe.
Professorin Gökce Yurdakul
Die Besetzer*innen von 2019 wiederum baten Thielecke um eine Gesprächsmöglichkeit mit dem HU-Präsidium und stellten klar, dass sie eine „brutale, chaotische Räumung“ vermeiden möchten. Die Professorin Gökce Yurdakul, geschäftsführende Direktorin des ISW, sagte: „Das war eine spontane Besetzung. Die Gründe kann man durchaus nachvollziehen.“
Am Nachmittag berichtete Bengt Rüstemeier, studentischer Vertreter im Akademischen Senat, dass die Polizei das ISW abgeriegelt habe. Die Polizei bestätigte der taz, dass die HU-Leitung einen Strafantrag wegen Hausfriedensbruch gestellt habe. Die HU selbst war nicht für eine Stellungnahme zur Besetzung zu erreichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“