Aus Berlin nach Afghanistan: Abschiebungen gehen weiter
Berlin schiebt etwa wieder so viele Geflüchtete ab wie vor der Coronapandemie – weiterhin auch nach Afghanistan. Auch aus der Haft wird abgeschoben.
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Die meisten Menschen werden in die Republik Moldau abgeschoben, 201 Personen waren es in der ersten Jahreshälfte. Hierauf folgen die Zielländer Georgien (46), Polen (36) und Serbien (35). Aus der Statistik geht auch hervor, dass zwischen Januar und März drei Menschen aus Berlin nach Afghanistan abgeschoben wurden. Das Land gilt als das gefährlichste der Welt. Im April hatte deshalb ein Beschluss des SPD-Parteitags Innensenator Andreas Geisel (SPD) dazu aufgefordert, in keinem Fall mehr Abschiebungen dorthin durchzuführen.
Fragestellerin Schubert sagte der taz, insgesamt würden sich die Zahlen „auf Vorjahresniveau“ bewegen, sie finde sie dennoch zu hoch. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2020 wurden 968 Menschen abgeschoben. 2019 schaffte Berlin noch 1.003 Menschen zwangsweise außer Landes, 2018 insgesamt 1.182 Personen – und 2017 schob Berlin 1.638 Menschen ab.
Zu Sammelabschiebungen unter Berliner Federführung kam es laut Senatsantwort in 13 Fällen. Dazu kommen 22 weitere Sammelabschiebungen, die zwar von einem anderen Bundesland oder der Bundespolizei organisiert wurden, in denen aber Geflüchtete aus Berliner Zuständigkeit abgeschoben wurden.
In der Nacht wird abgeschoben
Auch geht aus der Antwort hervor, dass die große Mehrheit der Abzuschiebenden weiterhin nachts zwischen 21 und 6 Uhr durch die Polizei in Gewahrsam genommen wird. Initiativen wie etwa die Flüchtlingsräte kritisieren diese Praxis schon lange als für die Betroffenen traumatisierend.
Schubert befragte den Senat auch zu Abschiebungen, die direkt aus Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam vollzogen werden. Eigentlich sieht die rot-rot-grüne Koalition beides „grundsätzlich“ als „unangemessene Maßnahmen“ an, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Dennoch wurden in diesem Jahr bisher 11 Personen direkt aus dem Knast abgeschoben.
Nur 6 dieser 11 waren sogenannte „Gefährder“, ein umstrittener Polizeibegriff, der Menschen beschreibt, die schwere Straftaten wie etwa Terroranschläge begehen könnten. Bis 2019 durften nur diese „Gefährder“ in Abschiebehaft gehalten werden, seither hat die SPD-geführte Senatsinnenverwaltung diese Regel aber gelockert.
Es käme einer „zweiten Strafe“ gleich, Menschen abzuschieben, nur weil diese in Deutschland straffällig geworden seien, kritisierte Schubert gegenüber der taz. Ihre Partei lehne das ab und setze stattdessen „auf freiwillige Rückkehr für diejenigen, die hier keine Perspektive gefunden haben“.
Wie aus einer Antwort des Senats auf eine weitere parlamentarische Anfrage hervorgeht, haben im ersten Halbjahr diesen Jahres insgesamt 2.184 Menschen, die zuvor nach Berlin geflüchtet waren, das Land „freiwillig“ verlassen. Der Flüchtlingsrat kritisiert schon lange die nur vermeintliche Freiwilligkeit dieser Ausreisen: In der Praxis würden die Behörden häufig starken Druck ausüben, etwa durch die Verweigerung von Arbeitserlaubnissen oder Kürzung der Sozialhilfe, heißt es von dort.
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