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Aufständisches chinesisches FischerdorfRebellenführer wird lokaler KP-Chef

Der Unterhändler des aufrührerischen Fischerdorfes Wukan übernimmt den Parteivorsitz. Im Dezember hatte die Bevölkerung alle KP-Kader und Polizisten verjagt.

Lin Zulian führte das Dorf erst zur Weltbekanntheit und jetzt in eine neue Ära. Bild: reuters

BERLIN taz | Die KP-Mitglieder des südchinesischen Fischerdorfes Wukan haben am Sonntag mit Lin Zulian den Unterhändler ihres Dorfes, der mit der Provinzregierung verhandelte, zum neuen Chef ihres Parteikomitees gewählt. Das berichtete die offizielle Nachrichtenagentur Xinhua am Sonntagabend. "Die Entscheidung wird von allen in Wukan unterstützt und ist ein wichtiger Schritt, der den Konflikt um Land und Geld lösen hilft", sagte ein Bewohner der Agentur afp.

Wukan, dessen Einwohnerzahl mit 12.000 oder 20.000 angegeben wird, wurde im Dezember weltbekannt, weil es im Konflikt um Land alle KP-Kader und Polizisten verjagte. Erst dem Vizeparteichef der Provinz Guangdong gelang es in Verhandlungen mit vom Dorf ernannten Führern, den Konflikt zu lösen, in dem er deren Forderungen nachgab.

So wird jetzt gegen den bisherigen langjährigen Dorfparteichef ermittelt, der sich an den umstrittenen Grundstückgeschäften bereichert haben soll. Ende Dezember hatte Xinhua von den Untersuchungen berichtet, die Beschwerden des Dorfes seien berechtigt gewesen. Zu den Forderungen gehörte, festgenommene Dorfbewohner freizulassen. Dies ist inzwischen geschehen.

Doch verhandelt die Familie eines im Polizeigewahrsam verstorbenen Unterhändlers laut AFP noch immer über die Herausgabe der Leiche. Der Tod des Mannes hatte zur Eskalation geführt. Laut Polizei starb er an einem Herzinfarkt, doch Angehörige wollen beim nur kurz erlaubten Blick auf die Leiche Folterspuren entdeckt haben.

Der Rebellenführer ist selbst langjähriges KP-Mitglied

Der jetzt gewählte 67-jährige Lin ist seit 1965 KP-Mitglied. Er war beim Militär, Vizedirektor des Dorfkomitees und dann Wirtschaftskader in der nächsten Stadt. Seit 1995 ist er wieder in Wukan, wo er als einfacher Bürger großes Ansehen genießt. Er soll jetzt die nächste Wahl des Dorfrates organisieren. Die letzte wurde annulliert.

Mit Korruption und Vertreibungen verbundene Landkonflikte sollen für zwei Drittel aller Proteste in China verantwortlich sein. Mit dem Rauswurf aller Kader ging Wukan bisher am weitesten. Doch bemühte sich das Dorf, die KP nicht grundsätzlich herauszufordern. Nach der Einigung mit dem Vizeprovinzchef wurde Wukan eiligst mit Parteifahnen geschmückt.

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4 Kommentare

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  • L
    Laowai

    @Xie

     

    was für ein Unsinn. Dass es diesen und noch viele weitere Proteste in China gibt und gab, konnte der INTERESSIERTE Leser schon die ganze Zeit erfahren. Wer sich zurücklehnt und nur konsumiert, was aufgetafelt wird, ist nicht wirklich interessiert, sondern selbst schuld an der eigenen Unmündigkeit! Das gilt auch für die meisten anderen Themen.

     

    Und China als einen Hort wohlwollender Demokratie darzustellen, entbehrt jedem realen Hintergrund. Die Weichen für die nächten Nationalkongresswahlen sind dem Vernehmen nach schon gestellt. Dann werden wir sehen, was für ein Gesicht die KPC dem eigenen Volk und dem Rest der Welt zeigen wird.

     

    Übrigens: In der DDR wurde auch gewählt. Sogar in einem gekappten Mehrparteiensystem. War das demokratisch? Dass Wahlergebnisse weit jenseits der einfachen Mehrheit für die SED nicht den ganzen 'Willen' des Volkes wiederspiegelten, haben -denke ich- die Montagsdemonstrationen gezeigt...

     

    Habe die Ehre

  • XZ
    Xie Zeren

    @Xie Zeren:

    Genau, und dass ein Unterhändler der aufmüpfigen Dorfbevölkerung mir nichts Dir nichts an einem "Herzinfarkt" gestorben ist und jetzt seine Leiche nicht herausgegeben wird ist doch auch ein Zeichen für den demokratischen Rechtsstaat der VRC.

    Das mit der Folter sind doch nur böswillige Unterstellungen der "Mainstream-Medien"!

  • FA
    Fing Ah Rin

    Los Leute ,wir verjagen jetzt ein paar Antidemokratische Krimminelle Staats Beamte !

     

    Mit hoher wahrscheinlichkeit ,wurde in Wukan diese Auforderung ausgesprochen ,damals im Dezember ,also vor einem Monat ,aber auf Chinesisch .

  • XZ
    Xie Zeren

    Ist doch interessant, unter der Hand erfährt der nicht wissende Leser so einiges, was sonst in den Mainstream-Medien (entscheide jeder selbst, welche Medien in diesem Fall dazu gehören) so nicht über China, die Menschen dort und die Führung derselben berichtet wird.

     

    Da wird also gewählt, in diesem Falle nicht nur der örtliche KP-Chef, sondern auch der Dorfrat.

    Über Wahlen - und in diesem Falle wegen der Annullierung kann man nicht grad von einer genehmen Situation reden - wird berichtet. Aha, denkt der nun aufgeklärte und entsprechend verwunderte Leser, hieß es nicht immer, in der VR gehe es ganz und gar undemokratisch zu? Wo bleiben die groß aufgemachten und hinter die Kulissen schauenden Berichte der sonst so im Negativen Engagierten Jutta Lietsch? Die vor nicht allzu langer Zeit in Kalter Kriegs-Manier und entsprechend undifferenziert über die KP China und ihr Jubiläum herzuziehen sich hergab...

    Darüber hinaus wird ermittelt, wer ermittelt und wie wird ermittelt? Könnte es sein, daß es ein halbwegs funktionierendes Justizwesen und eine Exekutive gibt, die sich in einer durchaus formalen Trennung der Probleme annimmt? MEHR DAVON, wir sind wißbegierig und möchten lernen!

    Es wird verhandelt, wer verhandelt mit wem und in welcher Form? Solche Informationen fließen äußerst dünn und es ist hohe Zeit das zu ändern. Immer noch wird so getan, bei der VR handele es sich um eine x-beliebige Bananenrepublik, wo man hier oder da mal was in viel zu oft abfälliger Manier berichten kann.

    In diesem Sinne beste Grüße und gute Besserung vom

     

    Xie