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Aufschwung füllt die öffentlichen KassenStaat erzielt Milliarden-Überschuss

Die Einnahmen der öffentlichen Kassen wachsen. Der Staatsüberschuss steigt auf den höchsten Wert seit der zweiten Jahreshälfte 2000.

Der Absatz boomt und spült Steuern in die öffentlichen Kassen. Bild: dpa

WIESBADEN dpa | Mitten in der Euro-Schuldenkrise erzielt der deutsche Staat den höchsten Überschuss in einem Halbjahr seit fast 13 Jahren. Die robuste Konjunktur und die Rekordbeschäftigung lassen die Einnahmen von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung sprudeln: Von Januar bis Juni 2013 nahm der deutsche Staat 8,5 Milliarden Euro mehr ein, als er ausgab. Das teilte das Statistische Bundesamt am Freitag nach vorläufigen Berechnungen in Wiesbaden mit.

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in jeweiligen Preisen, das derzeit bei 1335,8 Milliarden Euro oder rund 1,3 Billionen Euro liegt, schlossen die Haushalte das Halbjahr mit einem Überschuss von 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung ab.

Eine im europäischen Vergleich günstige Lage am Arbeitsmarkt und die stabilen Konjunkturentwicklung hätten die öffentlichen Kassen gefüllt, erklärten die Statistiker. Denn nach der Stagnation zu Jahresbeginn gewann die Wirtschaft im Frühjahr an Fahrt.

Getragen von der Konsumfreude von Verbrauchern (plus 0,5 Prozent) und Staat (plus 0,6 Prozent) wuchs das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal zum Vorquartal preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,7 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.

„Deutschland profitiert von der Stabilisierung in Europa. Das kräftige und breiter als bisher gestützte Wachstumsergebnis im Frühjahr macht Mut“, sagte Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW-Bankengruppe.

Auch die Investitionen zogen an: In Ausrüstungen wie Maschinen und Geräte wurde 0,9 Prozent mehr investiert als im Vorquartal - das erste Plus seit eineinhalb Jahren. Für Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank Gruppe, ist dies die erfreulichste Erkenntnis des Tages: „Die deutschen Unternehmen scheinen wieder optimistischer in die Zukunft zu blicken und nehmen wieder Geld für Investitionen in die Hand. Das ist ein gutes Signal für die gesamte Eurozone.“

Witterunsbedingte Nachholeffekte

Die Bauinvestitionen stiegen sogar um 2,6 Prozent. Dieses Plus dürfe auch an witterungsbedingten Nachholeffekten nach dem ungewöhnlich langen und kalten Winter liegen, betonten die Statistiker. Deshalb erwarten Ökonomen in den kommenden Quartalen ein etwas schwächeres Wachstum als im Frühjahr.

Die Wirtschaftsleistung wurde von April bis Juni von 41,8 Millionen Erwerbstätigen erbracht – das waren 242.000 Personen mehr als ein Jahr zuvor. Die historisch hohe Beschäftigung ist ein wichtiger Grund für den Überschuss der öffentlichen Kassen: Die Einnahmen aus der Lohnsteuer lagen um 5,6 Prozent über dem Niveau des Vorjahres. Überdurchschnittlich stark stiegen auch die Einnahmen aus der Einkommen- (plus 12,8 Prozent) oder der Gewerbesteuer (plus 8,4).

Insgesamt flossen dem Fiskus mit 604,5 Milliarden Euro rund 16,3 Milliarden Euro mehr zu als im Vorjahr. Die Ausgaben erhöhten sich um 15,8 Milliarden Euro auf 596,0 Milliarden Euro. Dabei reduzierte die öffentliche Hand die Bruttoinvestitionen um 0,9 Prozent. Und Deutschland musste -auch dank des Misstrauens der Investoren in andere Euroländer – 3,9 Prozent weniger als im Vorjahr für Zinsen bezahlen.

Ein Defizit bleibt

Dennoch bleibt der Bund im Minus. Allerdings schrumpfte das Defizit im Vorjahresvergleich um knapp 6 Milliarden Euro auf 2,2 Milliarden Euro. Die Länder erzielten nach einem Mini-Minus im Vorjahr einen Überschuss von 1,2 Milliarden Euro, und das Plus der Gemeinden stieg um eine Milliarde Euro auf rund 5,3 Milliarden Euro.

Der Überschuss der Sozialversicherung sank hingegen auf 4,3 Milliarden Euro. Er fiel damit deutlich niedriger aus als im Vorjahr mit 11,8 Milliarden Euro. Die Statistiker führten dies unter anderem auf die Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge und den Wegfall von Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt zurück.

Nach dem guten ersten Halbjahr dürfte Deutschland im Gesamtjahr weit unter der Defizitmarke von 3,0 Prozent des BIP bleiben. Das ist die Grenze, die der Maastricht-Vertrag maximal erlaubt.

2012 hatte Deutschland mit einem Plus von 0,2 Prozent erstmals seit 2007 wieder einen Überschuss im Gesamtjahr ausgewiesen. Die Deutsche Bundesbank hatte zuletzt für 2013 einen "in etwa ausgeglichenen Staatshaushalt" vorhergesagt.

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1 Kommentar

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  • S
    SimonSays

    Deutschland alleine kann die Eurozone nicht retten.

     

    Hierzulande wird die Arbeitslosigkeit fast nur durch "unproduktive" Mehreinstellungen abgebaut. Es wird also dadurch nicht die gesamtwirtschaftliche Leistung erhöht. Also werden damit strukturelle Probleme des Arbeitsmarkts gar nicht gelöst, also unabhängig der benötigten Nachfrage Personen auf Steuerzahlerkosten über Umwege eingestellt. Demzufolge sind diese "Erfolge" trügerisch.

     

    Deutschland hat nur geringes Wachstum und geringe Produktivitätserhöhung. In Südeuropa ist seit 10 Jahren die Produktivität nicht gestiegen, sondern die Arbeitslosigkeit nur auf Pump zurückgeführt worden. Das ist geplatzt. In der Euro-Krise wurden Reformen blockiert und damit stieg die Schuldenlast und der Druck nach Sozialkürzungen dort sogar weiter.

     

    Schafft man es nicht, hier nachhaltig zu reformieren, wird auch Nordeuropa es nur auf Pump schaffen, die Arbeitslosigkeit niedrig zu halten. Das ist Gefahr des Sozialpopulismus: Es kann auch hier platzen.