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Aufschub für HeimschließungHaasenburg hat keine Kinder mehr

Die umstrittenen Kinderheime sind geleert. Das Jugendamt holte die drei letzten Jugendlichen am Donnerstag mit der Polizei ab.

Verlassen: Wohnen muss in den Haasenburg-Häusern niemand mehr Bild: dpa

In den drei Heimen der Haasenburg GmbH sind seit Donnerstag keine Kinder mehr. Das Jugendministerium hatte die Schließung angeordnet und eine Frist bis zum Freitag gesetzt. Diese wird jetzt per Eilantrag der Haasenburg bis zum 10. Januar ausgesetzt. Die drei letzten Jugendlichen haben das Heim am Donnerstag verlassen.

Die drei wurden von Mitarbeitern des Landkreises Dahme-Spreewald im Auftrag des Jugendamts Lübben aus dem Heim Neuendorf am See in Obhut genommen. Dies sei in Abstimmung mit den zuständigen örtlichen Jugendämtern geschehen, berichtet Ministeriumssprecher Stephan Breiding. „Zwei sind bereits auf dem Weg zu einer neuen Einrichtung. Auch für den dritten ist eine in Aussicht.“

Der Schließungsbeschluss war der Haasenburg GmbH am 13. Dezember übergeben worden. Die Heimfirma wehrt sich nun juristisch. Anfang der Woche ging beim Verwaltunsgericht Cottbus ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ein. „Der Träger will die sofortige Vollziehbarkeit des Schließungsbeschlusses außer Kraft setzen“, berichtet Gerichtssprecher Gregor Nocon. Sollte ihm das gelingen, bleibt die Betriebsgenehmigung bis zu einer Entscheidung im „Hauptsacheverfahren“ in Kraft. Und das kann dauern.

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Doch auch um über diesen Eilantrag zu entscheiden braucht das Gericht ein paar Tage mehr Zeit. Die Gegenseite, sprich das Ministerium, muss Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Weil diese Stellungnahme einschließlich der „24 Bände umfassenden Verwaltungsvorgänge“ erst am Donnerstagabend um 19 Uhr bei Gericht einging, traf die zuständige Kammer des Gerichts eine sogenannte Zwischenentscheidung.

Stichtag: 10. Januar

Bis zum 10. Januar hat der Antrag der Haasenburg vorläufig aufschiebende Wirkung. Bis dahin soll das Ministerium von Maßnahmen zur Durchsetzung der Schließung – etwa der Verhängung eines Zwangsgeldes – absehen. Eine inhaltliche Aussage, ob die Schließung rechtens ist, ist damit nicht verbunden.

Wie berichtet, hatte sich Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) zu diesem Schritt entschlossen, nachdem eine sechsköpfige Expertenkommission im November einen Untersuchungsbericht vorgelegt hatte. Seither haben die Jugendämter die verbliebenen Jugendlichen aus dem Heim geholt. Die Ministerin hatte die Kommission im Juni eingesetzt.

Anlass war der taz-Bericht „Der Horror am Waldrand“, in dem umstrittene Erziehungsmethoden umfangreich dokumentiert wurden. Bereits im Juli hatte Münch einen Neubelegungsstopp für die drei Heime in Neuendorf, Jessern und Münchberg erlassen, die zu diesem Zeitpunkt noch 114 Plätze boten. Seither schrumpfte die Zahl der untergebrachten Kinder kontinuierlich. Im August wurde der Standort Jessern geschlossen.

Nachdem Münch gelesen hatte, was die Expertenkommission nach Gesprächen mit ehemaligen Mitarbeitern und Bewohnern auf 120 Seiten zu Papier brachte, sah sie keine Alternative zu dem harten Schnitt. Der Bericht belege eindrücklich, dass das pädagogische Selbstverständnis in der Haasenburg „überwiegend von überzogenen, schematischen und drangsalierenden Erziehungsmaßnahmen auf Kosten der dort untergebrachten Jugendlichen geprägt ist“, sagt sie. Es bestehe eine latente Gefährdung der Jugendlichen, da diese „jederzeit mit unverhältnismäßigen körperlichen Zwangsmaßnahmen rechnen müssen“.

Die von dem Psychologen Martin Hoffmann geleitete Kommission hatte in ihrem Bericht erklärt, dass auch rechtlich zulässige Zwangsmaßnahmen in der Realität „höchst anfällig für Eskalation und Missbrauch“ seien, und eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen, etwa jedem Jugendlichen eine Alarmknopf zu geben oder Antiaggressionsmaßnahmen ganz zu verbieten.

„Es gibt keine andere Konsequenz“

Auch ein Ausscheiden aller Führungskräfte, die länger als vier Jahre in den Einrichtungen beschäftigt sind, wurde angeregt. In der Summe, so die Ministerin, mache der Bericht klar, dass es nicht nur in einzelnen Punkten, sondern in nahezu allen Bereichen der Haasenburg-Heime erheblicher Reformen bedürfe. Diese, so Münch, seien „weder realistisch noch umsetzbar“. Auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie begrüßte die Schließung. Der Abschlussbericht lasse „aus unserer fachlichen Sicht keine andere Konsequenz zu“.

Die Haasenburg GmbH weist die Vorwürfe zurück. Der Geschäftsführer Jörg Klingohr erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa: „Es lag nie eine Kindeswohlgefährdung vor. Diese wird erst jetzt ermöglicht.“ Gegen ihren Willen seien die Kinder und Jugendlichen aus ihrer zuletzt vertrauten Umgebung herausgerissen worden.

Der Rechtsstreit über die Frage, ob der Entzug der Betriebsgenehmigung zu Recht geschah, kann Jahre dauern. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz knüpft an die Schließung von Heimen gewisse Bedingungen. Doch die Behörden sind auch zum Handeln gezwungen. „Wenn Informationen aus dem Untersuchungsbericht erkennen lassen, dass das Wohl der Kinder nicht gewährleistet ist, und ersichtliche Mängel nicht abgestellt werden können, dann muss das Ministerium die Betriebsgenehmigung entziehen“, sagt Jugendhilferechtsexpertin Theresia Höynck vom Institut für Sozialwesen der Universität Kassel. Zudem seien „im Bereich der Geschlossenen Unterbringung ganz besonders strenge Maßstäbe anzuwenden“.

Fakt ist, dass jetzt keine Jugendlichen mehr in den Heimen der Haasenburg GmbH sind.

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23 Kommentare

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  • T
    Thomas

    Der nächste, aber sehr wichtige Schritt wäre, das Landesjugendamt Brandenburg und die bereits genannten Beamten/innen für ihr unverantwortliches Fehlverhalten gerichtlich zu belangen!

  • T
    Thomas

    DANKE an die grandiosen Mitarbeiter der "taz"!!!

    In allen Hilfeeinrichtungen kann nur Hilfe angeboten werden, wenn diese auch angenommen wird. Der Weg dorthin kann schwer werden, ist nur durch einfühlsame und erfahrene Fachleuten möglich und kann nicht von Hilfskräften aus Geldgier der Betreiber geleistet werden.

    Jugendhilfe gehört in die Verantwortung des Staates und nicht in Hände von z.T. geldgierigen "Geschäftsleuten"!

    Menschen, die mit widerlichsten Gewaltmitteln gequält wurden, geben diese zurück.

  • Der Dank an die taz und die anderen KritikerInnen der Praxis der Haasenburg sollte sich in Grenzen halten. So lange die KritikerInnen nicht die Rausschmiss-Praxis fast der gesamten stationären Jugendhilfe in das Zentrum ihrer Kritik stellen. Erst diese Rausschmiss-Praxis führt zu Einrichtungen wie die Haasenburg. Und dort ist Ursache der Praxis-Fehler, dass dort die Rausschmiss-Praxis nicht gemacht werden soll.

    • @Ulrich Wegener:

      Was absolut falsch, verbrecherisch ist, Menschenrechte verletzt, muss absolut kritisiert werden, grenzenlos! Und die taz deckt es auf, bietet ein Forum für uns und Betroffene! DANKE! Sonst können diese Seelen- und (ganz konkret) Knochenbrecher sich weiter unbegrenzt abreagieren, dabei bereichern und sich auch noch im Recht fühlen. Es ist unerträglich, dass Kinder/Jugendliche von „ErzieherInnen“ „begrenzt“ werden, die ihre eigenen Gefühle nicht klären können. Unsere Kritik daran dürfen wir nie begrenzen, ganz im Gegenteil! Und Sie und andere vom Fach können dazu so unendlich viel beisteuern. Natürlich muss diese Kritik erweitert und vertieft werden. Dazu auch Dank an Sie!

  • HG
    Henry Gießwein

    Kinder werden von Jugendämtern oft nur noch Verwaltet, ein ziemlich trauriger Stand, den die Gesellschaft erreicht hat.

    Das Problem sind nicht die Heime, sondern die Menschen (Jugendamt), die Kinder in solche Heime stecken. Es sollte mal eine Debatte angestoßen werden, warum Jugendämter von Jahr zu Jahr mehr Kinder inobhut nehmen, obwohl es immer weniger Geburten gibt. Will der Staat dauerhaft die Eltern ersetzen?

  • TR
    Tim Rehren

    Und... hat Senator Scheele nach der vorläufigen Entscheidung des Gerichts die Kids schon wieder zurückgeschickt? *Sarkasmus aus*

  • T
    Thomas

    an ULRICH WEGENER

    Haben sie sich eigentlich mit der Thematik über diese Heime befasst,deutlichst erkennbar NEIN!!!

    Sie sprechen hier ein vollkommen anderes Thema an, was aber auch nicht stimmt.

    In keiner Einrichtung der Jugendhilfe darf ein Kind bzw. Jugendlicher auf die Straße "gesetzt" werden.

    Dass in nicht wenigen Einrichtungen eine mehr als schlechte Erziehungsarbeit geleistet wird, liegt wohl eher an den fehlenden Fachkräften und der Geldgier der Betreiber.

    Auch sollte die Kontrolle der Betreiber, der zuständigen Ämter usw. vollkommen überarbeitet werden und zwar umgehend.

    Und noch eine persönliche Frage an sie: Psychotherapeut ??? wohl eher nicht-oder hoffentlich NICHT!

    • @Thomas:

      Doch, ich bin Diplom-Psychologe und Psychotherapeut, seit Mitte der 70er in und für Einrichtungen stationärer Kinder- und Jugendhilfe beruflich tätig, wohnte gut 10 Jahre mit meiner Familie in einem Kinder- und Jugendhaus zusammen mit bis zu 10 jungen Menschen und ihren HelferInnen.

    • @Thomas:

      Liegt die schlechte „Erziehungsarbeit“ nicht daran, dass auch die „Erzieher“ mit sich selbst nicht klar kommen, was ja menschlich ist, sie aber nicht zugegeben wollen/können („Des Kaisers neue Kleider“), sondern oft an Kindern/Jugendlichen abreagieren, die durch ihr unangepasstes bzw. sogar kriminelles Verhalten auch eine scheinbar so berechtigte Vorlage liefern? Geldgier ist für mich eines der Symptome… Befeuert solche „Erziehungsarbeit“ nicht nur den schon kommentierten Teufelskreis „Opfer-Täter-Opfer…“, mit dem sich auch abkassieren lässt?

  • Kein Heim oder wie immer sich Einrichtungen auch nennen, die Aufnahme und Hilfe für junge Menschen anbieten, können dazu und zur Fortsetzung gezwungen werden. Sie können Aufnahme und das Bleiben junger Menschen auch unbegründet jederzeit ablehnen. Die Rausschmiss-Drohung ist in jeder Einrichtung alltägliches Disziplinierungs-Mittel. Um dessen Glaubwürdigkeit zu erhalten, muss im Abstand von einigen Monaten ein Rausschmiss auch erfolgen. Ohne Kenntnis des Rausgeschmissenen wird der Rausschmiss mit dramatisiertem Fehlverhalten schriftlich begründet. Rausschmisse erfolgen, auch ohne eine weitere Bleibe gefunden zu haben. Die jungen Menschen werden dann in Notunterkünften "untergebracht". Findet sich nach Monaten eine zur Aufnahme bereite Einrichtung, wird der stigmatisierte junge Menschen weiterhin mit Rausschmiss bedroht.

    Verzichtete eine Einrichtung trotz Fehlverhaltens auf Rausschmiss, verzichten Jugendämter darauf, dieser Einrichtung junge Menschen "zuzuweisen". Gefürchtet wird die "Infektion durch Fehlverhalten".

    So gibt es eine wachsende Zahl junger Menschen, zunehmend bereits solche unter 14 Jahren, also Kinder, die ohne, mindestens ohne sichere Bleibe sind.

    Dazu werden nun auch einige der jungen Menschen gehören, die jetzt die Heime der Haasenburg verlassen haben.

    Wird die taz deren Schicksal recherchieren und darüber berichten? Wird Ines Pohl einem dieser jungen Menschen eine bedingungslose Bleibe bieten, darüber in der taz berichten?

    Fragen, die sich mir auch als Psychotherapeut stellen. Darf ich auf Antworten hoffen?

    • @Ulrich Wegener:

      Wo gibt es ein „Heim“, das den Namen „Heim“ verdient, in dem man den Jugendlichen sagt: „Egal, was du getan hast oder was man dir angetan hat, egal, was kommt, WIR STEHEN ZU DIR UND KLÄREN DAS MIT DIR, helfen dir, deinen Weg zu finden. Hier kannst du immer bleiben und wieder kommen, auch wenn es alles andere als leicht ist.“ Wäre das nicht eine Grundlage? Träume ich da? Aber wenn man nicht träumt, kommt man nicht weiter.

      • @THG:

        Es gibt ganz wenige kleinere Heime, die sich diesem Anspruch stellen und stellen können, ohne dafür von den Jugendämtern anerkannt zu werden. Das sind leider absolute Ausnahmen.

        Genau in dieser Frage muss der Kampf um eine Humanisierung, erst damit erfolgreiche stationäre Jugendhilfe ansetzen.

        • @Ulrich Wegener:

          Ja genau! Das finde ich auch! Ist das nicht ein wichtiger Ansatzpunkt? Müssen solche wohl doch vorhandenen echten "Heime" als gangbare ALTERNATIVEN nicht in jeder Form herausgestellt werden, um zu zeigen, wie haltlos die oft beschworene „Alternativlosigkeit“ ist. Warum sind es denn Ausnahmen? Warum werden sie von Jugendämtern nicht anerkannt? Was kann man tun? Hallo taz, Journalisten, Fachleute! Weiterbohren! Durch POSITIVES kann die Kritik an den leider so verbreiteten, unerträglichen, skandalösen, Zuständen doch nur stärker werden. Mögen auch Betroffene dazu immer wieder laut werden.

    • T
      Tobias
      @Ulrich Wegener:

      "Die jungen Menschen werden dann in Notunterkünften untergebracht"

       

      oder landen in der Psychiatrie, wo sie dann so lange mit Medikamenten vollgestopft werden, bis sich ein Heim findet, dass sie aufnimmt.

      • @Tobias:

        Es ist so, die kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken lassen sich von der stationären Jugendhilfe missbrauchen.

        Deshalb ist deren Reform keineswegs abgeschlossen, muss unverändert erst noch erkämpft werden.

        Nach wie vor verschärfen Kliniken die Probleme junger Menschen, weil durch Aufenthalte dort Lücken in Kulturtechniken nicht nur nicht geschlossen, sondern noch vergrößert werden. Von fast jeder Klinik wird dieser Schaden nicht erkannt oder bestritten.

        • @Ulrich Wegener:

          Das ist schaurig, erinnert an unsägliche Zustände aus uns scheinbar fremden Zeiten/Welten. Siehe frühere Kommentare… Und nein, genau deshalb dürfen wir unsere Kritik nie begrenzen, sollen uns dabei konstruktiv bestärken, Journalisten wie der taz danken. Mögen die Betroffenen evtl. mit Hilfe von Fachleuten wie Ihnen und anderen aus diesen Foren sich zusammenschließen und immer wieder laut werden!

  • Die Frage ist jetzt, ob es da wirklich zu einer juristischen Aufarbeitung kommt, und ob die Betroffenen ihren Leid angemessene Entschädigungen bekommen. Und deswegen kann ich diesen Schritt nur als Teilerfolg sehen. Denn normalerweise enden doch solche Fälle ohne Anklagen, oder im besten Fall mit Anklagen von Sündenböcken. Und Entschädigungen sind in Deutschland eh immer armselig.

     

    Dennoch... ohne die taz wäre es wohl nie soweit gekommen, und dafür ein Hoch auf die taz!

    • @Pascal:

      Dazu stand auf einer Heimkind-Facebookseite: "Die beste Rache ist ein gutes Leben". Ich hoffe ja auch, dass wir als interessierter Teil der Öffentlichkeit ein ganz klein wenig dazu beitragen, dass sich so etwas nicht so oft wiederholt... Gehör finden, hilft ja auch... Immer wieder Danke an die TAZ.

  • AU
    Andreas Urstadt

    Schoen

     

    Wie war das noch, Haasenburg erreichte eine Rechtsverfuegung gegen eine Aktion auf change.org

  • I
    ich

    und wann kommen die verantwortlichen vors gericht?

  • KC
    Kutter cuts!

    Ganz toll, liebe TAZ Nord!

  • G
    gast

    Endlich!!! :)

    • SC
      scheiß captcha
      @gast:

      mir fällt ebenso ein stein vom herzen. wie viele kinder dort misshandelt wurden und in ihrem leben nicht mehr froh werden. ein unglaublich ekelhafte sache waren diese heime.