piwik no script img

Aufruf vor Drei Königstreffen"Jetzt erst recht"

Kurz vor dem mit Spannung erwarteten Dreikönigs-Treffen der FDP bekommt der angeschlagene Vorsitzende Westerwelle von führenden Partei-Politikern den Rücken gestärkt.

Piep piep piep, wir haben uns alle lieb: Kurz vor dem Dreikönigstreffen haben führende fdp-Politiker wie die Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger Westerwelle den Rücken gestärkt. Bild: dapd

Berlin dpa | Kurz vor dem mit Spannung erwarteten Dreikönigs- Treffen der FDP hat der stellvertretende Parteichef Rainer Brüderle seinem angeschlagenen Vorsitzenden den Rücken gestärkt. "Guido Westerwelle hat alle Chancen, die FDP erfolgreich zu führen", sagte Brüderle dem "Handelsblatt". Er forderte seine Partei auf, nun als Team aufzutreten. In Oppositionszeiten sei es richtig gewesen, die Kräfte auf Westerwelle zu bündeln. "In Regierungszeiten ist jedoch das Mannschaftsspiel besonders wichtig."

Spekulationen, er könne Westerwelle als Parteichef ablösen, wies Brüderle zurück: "Die Frage stellt sich nicht. Wir haben einen Vorsitzenden, der das Vertrauen des gesamten Präsidiums genießt." Die FDP-Nachwuchsorganisation Junge Liberale erwartet von der Mutterpartei den Nachweis, dass sie in der Koalition mit CDU und CSU etwas durchsetzen kann. JuLi-Chef Lasse Becker benannte in der "Leipziger Volkszeitung" zwei symbolische Punkte: Erstens "den klaren Kurs der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger halten bei der Ablehnung einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung, die jeden Bürger unter Verdacht stellt. Auch gegen den Widerstand der Union."

Zweitens müsse "das System der Mehrwertsteuer (...) rasch und erkennbar vereinfacht werden, auch wenn sich der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dagegen sträubt", sagte Becker. Die "Leipziger Volkszeitung" berichtet unter Berufung auf "kritische FDP-Funktionsträger aus den Ländern" über ein Papier, das Bedingungen für die Weiterarbeit der gewählten Partei- und Koalitionsspitze festhält. Danach müsse unter anderem Vizekanzler Westerwelle in nächster Zeit "einen symbolhaften Sieg" in der schwarz-gelben Koalition erringen, der der FDP von der Öffentlichkeit gutgeschrieben werde.

Eine "wahrnehmbare Eigenständigkeit" müsse Grundlage der Arbeit der gesamten FDP-Führung werden. Wolfgang Gerhardt, Westerwelles Vorgänger als FDP-Chef, lenkte vor dem Dreikönigs-Treffen am Donnerstag die Aufmerksamkeit auf die Programmarbeit. In seinem Beitrag für die "Frankfurter Rundschau" warnte er vor einer Verengung des Liberalen im politischen Alltag. Die Freiheit, nach der Liberale stets strebten, biete "eben nicht nur Raum für hedonistische Selbstverwirklichung" und äußere sich nicht nur in einer Freiheit von Steuern und Abgaben. Drei liberale Spitzenpolitiker gingen derweil mit einem Reform- Appell unter dem Titel "Jetzt erst recht" in die Offensive.

In einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" forderten FDP-Generalsekretär Christian Lindner, der niedersächsische FDP- Vorsitzende und Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler sowie der NRW-Landesvorsitzende Daniel Bahr eine Schärfung des Partei-Profils. Die drei FDP-Führungsfiguren kritisierten in dem "Neujahrsappell" die innerparteilichen Personaldebatten, weil diese den erforderlichen "Erneuerungsprozess" gefährdeten. Zugleich bemängelten sie den Kurs der Parteispitze: "Die erfolgreiche Oppositionsarbeit zur großen Koalition hatte allerdings dazu geführt, dass das Bemühen um thematische Verbreiterung und um die sympathische Vermittlung unser konzeptionellen Vorschläge weniger dringlich schien."

Westerwelle wurde angeblich von den Autoren über Inhalte des Appells in Kenntnis gesetzt, der Text wurde jedoch nicht mit ihm abgestimmt. Westerwelle wird in dem Appell laut Zeitung nur mit dem Hinweis erwähnt, unter seiner "Federführung" seien in der FDP-Krise der 90er Jahre die "Wiesbadener Grundsätze" formuliert worden, durch die die Partei damals "neues Vertrauen" gewonnen habe. Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) forderte eine Kurskorrektur. "Guido Westerwelle muss die FDP für die Zukunft profilieren, und zwar nicht nur mit dem Thema "Mehr Netto vom Brutto"", sagte er den "Stuttgarter Nachrichten". Nach Ansicht Baums hat die FDP "ein Problem mit der mangelnden öffentlichen Akzeptanz von Westerwelle". Zudem verlangte der Ex- Minister eine personelle Erneuerung und "deutliche Verjüngung".

Überschattet von der Führungsdebatte kommt die FDP in Baden- Württemberg heute in Stuttgart zu einem zweitägigen Landesparteitag zusammen. Die rund 400 Delegierten beraten über das Programm zur Landtagswahl am 27. März. Bei der Landtagswahl 2006 hatte die Südwest-FDP noch 11,7 Prozent geholt. Inzwischen liegt die FDP in ihrem Stammland Baden-Württemberg bei 5 Prozent oder darunter und muss um den Wiedereinzug in den Stuttgarter Landtag fürchten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • A
    Amos

    Westerwelle sollte sich zur Ruhe setzen. Er ist doch durch seine Klientel-Politik so reich geworden, dass er das bequem machen könnte. Die Friedhöfe sind voll, von solchen Idioten.die sich für unersetzlich hielten.

  • R
    rugero

    Herr Westerwelle hat ein Jahr lang heiße Luft produziert und kein Fettnäpfchen ausgelassen. Das Wahlvolk hat es schnell bemerkt; spät auch seine eigenen Parteigenossen.

     

    In Deutschland merken nur wenige Politiker, wann sie den Zenith überschritten haben. Anstatt Platz zu machen für Nachfolger und damit Schaden für Ihre Partei zu vermeiden, kämpfen sie bis zum letzten um den Erhalt ihrer Pfründe, um keine Peinlichkeit verlegen.

     

    Der politische Tod auf Raten ist ein beliebtes Modell. Edmund Stoiber war so ein Beispiel und Guido Westerwelle wird ihm nacheifern. Vielleicht findet sich ja auch für ihn ein teuer-nutzloses Pöstchen in Brüssel.

  • A
    Amos

    Wenn die FDP ihren Westerwelle behalten will, dann soll sie auch mit ihm untergeh'n! Die muss ganz weg, damit sie nicht mehr von der Industrie bis zur Überheblichkeit geschmiert wird.

  • K
    Karina

    Es wird dringend gewünscht, die FDP ins Nirwana zu verbannen - (das Aushändigen einer) Rückfahrkarte wird verweigert.

    Die von der FDP probagierte, und von mir befürwortete, Verbot der Datenbevorratung, hört doch bei der FDP spätestens da auf, wo es um Bevorratung in den Arbeitsagenturen und Jobcentern geht und was die Arbeitssuchenden betrifft.

    Die FDP muss sich die Frage gefallen lassen: Datenschutz nur für FDPler und nur für reiche Menschen????

    Karina.