Aufruf für mehr Finanzmarkt-Kontrolle: Spekulation und Börsenkräche

Es reicht, sagen 51 Ökonome und Sozialwissenschaftler aus acht europäischen Staaten und den USA. Und fordern mehr Handlungsmöglichkeiten für die Politik.

Nicht untätig auf die nächste Krise warten - fordern die Finanzexperten Bild: dpa

Die entfesselten Finanzmärkte zerstören die Gesellschaften. In aller Stille, täglich und überall, wo die Aktionäre Druck auf die Unternehmen und damit auf die Beschäftigten ausüben, um ihnen eine höhere Rentabilität abzupressen. Spektakel und Getöse begleiten die heftigen Krisen, in denen das unfassbare Ausmaß der spekulativen Gier und deren Folgen für Wachstum und Beschäftigung schonungslos offenbar wird. Arbeitslosigkeit, Verelendung und zunehmende Ungleichheit: Die Beschäftigten und die Ärmsten haben die Zeche für die Spekulation und die aus den Börsenkrächen resultierenden Verluste zu zahlen.

Seit zwanzig Jahren durchlaufen die Weltfinanzmärkte eine Krise nach der anderen: 1987 Börsenkrach, 1990 Immobilienkrise in den USA, Europa und Japan, 1994 Sturz der US-Staatsanleihen, 1998 weltweite Krise der Finanzmärkte, 2000-2002 Platzen der Internetblase und 2007-2008 schließlich Immobilienkrise, die sich möglicherweise zu einer weltweiten Krise der Finanzmärkte ausweiten wird. Warum diese ständige Wiederholung? Weil die freie Zirkulation des Kapitals und die "Innovation" der Finanzmärkte keinerlei Einschränkung mehr unterliegen. Den Zentralbanken, die zugelassen haben, dass die Spekulationsblasen sich aufblähten, bleibt nun keine andere Wahl, als den illiquiden Banken und Spekulationsfonds zu Hilfe zu eilen.

Wir werden nicht untätig auf die nächste Krise warten und sind nicht bereit, weiterhin die eklatanten Ungleichheiten und Risiken hinzunehmen, die die Finanzmärkte hervorrufen. Wenn Deregulierung zwangsläufig zu Instabilität führt, wie sollen dann die inhaltslosen Aufrufe zu "Transparenz" und moralischem Verhalten etwas ändern und verhindern, dass dieselben Ursachen erneut dieselben Wirkungen erzeugen? Um dem ein Ende zu setzen, müsste man die Grundfesten des Systems angreifen, das heißt die Strukturen radikal verändern.

Jegliche Veränderung innerhalb der Europäischen Union scheitert an dem unbegrenzten Schutz, den die EU-Verträge dem Finanzkapital gewähren.

Deshalb fordern wir als Bürger Europas die Abschaffung von Artikel 56 des Lissaboner Vertrages. Denn dieser untersagt jedwede Beschränkung des Kapitalflusses und ermöglicht so den ungehinderten Zugriff des Finanzkapitals auf die Gesellschaft. Weiter fordern wir, die Niederlassungsfreiheit zu beschränken (Artikel 48). Denn sie versetzt das Finanzkapital in die Lage, sich dort anzusiedeln, wo es die besten Bedingungen vorfindet. Wenn Freiheit nur bedeutet, dass die Herrschenden - das Finanzkapital - den Rest der Gesellschaft versklaven dürfen, lehnen wir das ab. Unter Freiheit verstehen wir Freiheit vom Joch der Profitmaximierung.

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