Aufregung vor der Landtagswahl: Schwerin kann schließen
Mecklenburg-Vorpommern braucht keinen Landtag, wo 71 Abgeordnete 1,6 Millionen vertreten. Das Land braucht Bürgernähe und Realismus.
Z u Schwerin im schönen Landtag arbeiten 71 Abgeordnete. Sie vertreten 1,6 Millionen Einwohner, zwei Prozent der deutschen Bevölkerung. In Bayern kommt ein Landtagsabgeordneter auf 71.000 Einwohner, in Mecklenburg-Vorpommern einer auf 22.000.
Das muss so sein, damit das Parlament arbeitsfähig ist. Ist das aber die ganze Aufregung um die am 4. September stattfindende Landtagswahl wert? Die Panik, dass in einem deutschen Bundesland eine rechtsextreme Partei zur stärksten politischen Kraft werden könnte? Würde Berlin besser regiert, wenn man es mit seinen 3,5 Millionen Einwohnern von zwei Abgeordnetenhäusern und zwei Senaten regieren lassen würde, mit dem dann passenden SPD-Wahlkampfslogan „Müllers, Berlin“? Nein.
Mecklenburg-Vorpommern braucht keinen Landtag. Was M-V braucht, sind mehr Politiker wie der vor drei Jahren verstorbene Bürgermeister der Stadt Pasewalk, Rainer Dambach: nüchterne Demokraten, direkt vor Ort, die jenseits eines formelhaften Antifaschismus konsequent den öffentlichen Raum gegen die Nazis verteidigen.
Mecklenburg-Vorpommern braucht kürzere Wege zu den und damit mehr Bürgernähe der Behörden, möglicherweise mehr und unbedingt besser in der Verteidigung der Demokratie geschulte Polizei und gewiss auch mehr Arbeitsplätze; und mehr polnische Mitbürger sind immer gut.
Mit alldem wäre nicht sofort das Gefühl des Zukurzgekommenseins aus den Köpfen und der Rassismus aus den Herzen zu vieler Menschen in M-V genommen – für schnelle Antworten auf den Erfolg der Rechten ist es zu spät; die Politik würde lediglich ihre Hausaufgaben machen, die Menschen ernst nehmen und zugleich zeigen: Von einer relativen Wildnis, von der sich alle möglichen neuen, netten Tiere, aber eben auch Nazisiedler angezogen fühlen, geht kein Signal für Deutschland aus.
Was die Bundesrepublik ausmacht, wird nicht dort entschieden, wo der „Idiotismus des Landlebens“ (Karl Marx) sich durch das Internet eher noch verstärkt hat; sondern dort, wo Menschen konfliktreich und leidenschaftlich ihre gemeinsame Zukunft aushandeln: in den großen Ballungszentren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen