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heute in hamburg„Aufklärung ist der Weg“

Vortrag „Verschwörungsmythen und Esoterik – harmlos oder gefährlich?“, aus der Reihe „Schnöde Neue Welt“ des Hamburger Asta: 19 Uhr, Zoom, Einwahldaten gibt es unter https://t1p.de/5dva/

Interview Ilka Kreutzträger

taz: Oliver Rautenberg, wie passen Verschwörungsmythen in eine Vortragsreihe namens Schnöde Neue Welt?

Oliver Rautenberg: Wie in Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ geht es bei Verschwörungsmythen heute auch um das Bild einer Gesellschaft, die keinen Sinn mehr sieht im kritischen Denken. Wer in einer solchen Verschwörungsmentalität gefangen ist, kann fast nicht mehr abgeholt werden. Deswegen ist es wichtig, es möglichst gar nicht so weit kommen zu lassen und aufzuklären.

Nur erreicht man diese Menschen schwerlich, die hören sich ja kaum Ihren Vortrag an.

Man sollte sie trotzdem nicht verloren geben, denn viele kann man noch auf einer persönlichen Ebene abholen. Man muss sie ernst nehmen und die Gemeinsamkeiten herausstellen. Sagen, ja, ich habe auch Angst oder ja, ich wünschte mir auch, es bräuchte weniger strenge Corona-Auflagen.

Klingt einfacher, als es ist.

Man muss Graswurzelarbeit machen und sollte sich vergegenwärtigen, wo die Einstellung, dass alles einen geheimen Plan hat, herkommt. Im schlimmsten Fall sind diese Ideen gesellschaftsschädlich, weil man sich aus dem demokratischen Diskurs rausnimmt.

Wo setzen Sie da an?

Ich gehe davon aus, dass die Verschwörungsmentalität bei den Esoterikern unter den „Querdenkern“ zum großen Teil in der Anthro­posophie angelegt ist.

Wie kommen Sie darauf?

Ich habe wie so viele mit meiner Familie nach Alternativen gesucht, nach sanfterer Medizin, besserer Ernährung und einem besseren Schulsystem. Und da landet man schnell bei den Esoterikern, die einem zwar Alternativen anbieten, aber verschweigen, dass sie Hintergedanken haben.

Klingt da Enttäuschung durch?

Foto: privat

Oliver Rautenberg46, lebt im Ruhrgebiet und beschäftigt sich seit etwa zehn Jahren vor allem mit der esoterischen Weltanschauung Anthroposophie. Er betreibt als freier Journalist den Blog www.anthroposophie.blog.

Meine Kinder sind in einem anthroposophischen Krankenhaus geboren und da mussten meine Frau und ich die Erfahrung machen, dass da auf evidenzbasierte Medizin verzichtet und nur esoterische Pseudomedizin verabreicht wurde. Das hat mich sehr erschreckt. Da habe ich angefangen zu recherchieren, wie diese Leute, die Rudolf Steiner folgen, dazu kommen, sich über den Stand der Wissenschaft zu erheben. Und seitdem komme ich aus dem Staunen nicht raus.

Verschwörungsmystiker sind aber nicht nur Esoteriker, sondern auch Rechtsextreme, Impfgegner oder 5G-Kritiker.

Die Rechtsextremen mal rausgenommen, die unterwandern diese Szene eher. Aber die anderen Gruppen eint eine ideologische Klammer: Die sind im Kern wissenschaftsfeindlich und verschwörungsgläubig. Da geht es weniger um eine individuelle Überzeugung, sondern um die gemeinsame Ablehnung einer offiziellen Sichtweise.

Und nun?

Muss man hingucken. Die „Querdenken“-Bewegung wird in Baden-Württemberg jetzt vom Verfassungsschutz beobachtet. Aufklärung muss der Weg sein, damit sich die Menschen, die sich vom Staat abgekoppelt haben, nicht weiter radikalisieren.

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