Auf der Suche nach Rios „Pride House“: Der olympische Geist schläft noch

Die Casa Nem ist nicht leicht zu finden und offenbar selten geöffnet. Nach abenteuerlicher Suche finden wir ein paar hilfsbereite Transgender-Frauen.

Wandbemalung mit Gitarre spielender Chimäre

Eingangsbereich der Casa Nem Foto: Markus Völker

Die Heimatredaktion hat mir einen Auftrag gegeben. Ich soll zum Queer House der Spiele. Dringend. Man muss im Netz schon ein bisschen suchen, bis man das „Pride House“, so heißt es in Rio, aufgetan hat. Die Adresse zu finden gestaltet sich noch schwieriger. Aber dann: Das Zentrum des schwulen Sports soll in Rios Stadtteil Lapa sein, im Kulturzentrum Casa Nem in der Rua Morais e Vale, ganz in der Nähe des olympischen Segelzentrums Marina da Gloría.

Öffnungszeiten während der Spiele: täglich von 14 bis 22 Uhr, so ist zu lesen. Taxifahrer Orlando Pessoa, ein freundlicher, älterer Herr von bestimmt 75 Jahren, kurvt in Ipanema los und erreicht auch nur mit ein paar Staus das Zielgebiet, doch dann weiß der ältere Herr nicht mehr weiter.

Er fragt diesen und jenen am Straßenrand. Nach einem heißen Tipp kurvt er über Kopfsteinpflaster einen Hügel hinauf, wo auch eine altertümliche Straßenbahn noch ihren Dienst versieht. Santa Teresa heißt das Viertel. Recht hübsch. Auf meinen Hinweis, hier falsch zu sein, gibt Orlando nicht viel. Ein Navi hat er nicht, warum auch, es gibt ja Leute, die man fragen kann. Rua Morais? Nie gehört.

Einer weiß dann doch Bescheid. Gestenreich erklärt er den Weg. Wir kurven den Hügel wieder runter über Serpentinen und mit Gegenverkehr, der die Abfahrt nicht leichter macht. Orlando lässt mich mit einem milden Lächeln in einer kleinen, engen Gasse raus. Angekommen in der Rua Morais. An der Ecke ist ein Imbiss, viele Rollläden sind unten. Man kann in eine Werkstatt hineinlugen. Der Style hier: leicht versifftes Kreuzberg-Ambiente mit einem Hauch Neapel.

Samstag ist Party

Die Casa Nem hat an diesem Nachmittag leider zu. Draußen hängt zwar ein Plakat „Rio Pride House“, das darauf verweist, dass ich hier richtig bin, aber der olympische Geist schläft wohl noch. Auf dem Rollladen, der die Casa verrammelt, prangt eine Chimäre aus Mensch und Katze, die Gitarre spielt. Hm, was tun? Warum ist hier nichts los?

Im ersten Stock schaut jemand interessiert auf den Olympiagast aus Deutschland. „Wann öffnet das Pride House?“, frage ich, aber da ist schon ein Pulk von Transgender-Frauen auf dem Weg nach unten, zurechtgemacht und mit opulentem Dekolleté. Sie stürmen nebenan eine Treppe herunter. Drinnen riecht es streng nach Putz- oder Desinfektionsmittel. Nee, das Pride House hat immer nur am Samstagabend auf. Jetzt sei gar nichts los. Sie heißen Adriana und Eve und Jana. Die Verständigung ist ein bisschen schwierig, weil ich kein Portugiesisch und sie kein Englisch sprechen.

Adriana ist kein Olympiafan, so viel verstehe ich. Eve findet diesen Neymar des Bogenschießens gut, obwohl der ja gar nichts gewonnen hat, also Marcus Vinicius Dalmeida, und den echten Neymar natürlich auch. Jana steht auf Beachvolleyball. Ich solle unbedingt morgen wiederkommen, sagen sie. Dann sei auch Party, „yeah“. Ich habe leider schon einen Termin. Boxen. In der 52-Kilo-Klasse. „Ciao“, sagen die Schönheiten und stöckeln davon. Ein Küsschen fliegt.

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