Auch ÖVP versucht TV zu beeinflussen: Handschellen rausgeschnitten
Nicht nur in Bayern, auch in Österreich versuchen Politiker, bei Öffentlich-Rechtlichen inhaltlich zu intervenieren. Selbst vor Satiresendungen machen sie nicht halt.
WIEN taz | Nicht nur die CSU – auch ihre österreichische Schwesterpartei ÖVP versucht die Darstellung ihrer Politiker im Fernsehen zu beeinflussen. Manchmal erfolgreich. So zuletzt, als Bildungssprecher Werner Amon in der Satiresendung „Wir sind Kaiser“ eine Audienz bei Kaiser Robert Heinrich I., gespielt von Robert Palfrader, hatte und am Ende in Handschellen abgeführt wurde. Diese Szene bekamen die Zuseher zu Hause nicht zu Gesicht.
Werner Amon war gemeinsam mit der Grünen-Abgeordneten Gabriela Moser geladen. Wichtigstes Thema war der Korruptions-Untersuchungsausschuss, den Moser geleitet hatte und der vor zwei Wochen von den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP willkürlich beendet wurde, als wichtige Themen noch nicht erschöpfend untersucht und Schlüsselzeugen nicht befragt waren.
Amon hatte dabei als Spitzenrepräsentant seiner Partei eine wichtige Rolle gespielt. In Zusammenhang mit dubiosen Sponsorgeldern wird ihm auch Korruption vorgeworfen. Die Handschellen am Ende der „Audienz“ beim Kaiser in der Satiresendung kamen aber wegen eines anderen Vergehens ins Spiel: Amon hatte sich einst für einen Maskenball als Kaiser kostümiert. Klare Amtsanmaßung für den TV-Kaiser.
Die Grüne Gabriela Moser sagte, sie könne nicht mit Sicherheit beurteilen, ob Amon die Handschellen tatsächlich angelegt wurden – das habe sie aus ihrem Winkel nicht klar sehen können. Aber die Kombination von „U-Ausschuss und Handschellen“ war ihrer Meinung nach offenbar ein zu starkes Bild für die ÖVP: Amons Pressebegleiterin habe nach der Aufzeichnung aufgeregt mit ihm diskutiert, dann telefoniert. Dass die Handschellen-Szene später aus der Sendung herausgeschnitten wurde, ist für die Grünen ein klarer Fall von Zensur. Sie wollen, dass sich damit der ORF-Stiftungsrat und der Publikumsrat, die Aufsichtsgremien des ORF, befassen.
Tatsächlich sind Interventionen politischer Parteien im ORF nichts Neues. Unter Führung von Monika Lindner, die vor zehn Jahren von der ÖVP-FPÖ-Regierung eingesetzt worden ist, sollen Anrufe bei leitenden Redakteuren an der Tagesordnung gewesen sein – und wenn sie aus dem Regierungslager kamen, meist auch erfolgreich.
Wir regeln das über die Anzeigen
Seit 2007 Alexander Wrabetz von der politischen SPÖ-BZÖ-Grünen-Mehrheit als Generaldirektor installiert wurde, genießen die Redaktionen weit größere Freiheit – ein eklatanter Fall von Zensur wie das jüngste Herausschneiden einer Szene aus der Satiresendung wurde in den letzten Jahren nicht bekannt.
Der ORF mit seinen inzwischen vier Kanälen ist nach wie vor das wichtigste Leitmedium des Landes. Bei der Besetzung der Leitungsposten spielen politische Rücksichten traditionell eine Rolle. In den auflagenstarken Boulevardblättern versuchen sich Parteien durch das Schalten großflächiger Anzeigen wohlwollende Berichterstattung zu erkaufen.
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wird nun vorgeworfen, während seiner Zeit als Verkehrsminister einen etwas obskuren Deal im Zusammenhang mit Imagewerbung betrieben zu haben – mit Geldern der Österreichischen Bundesbahn und der Autobahnbetreiber-AG Asfinag. Eine von der Opposition gewünschte Vorladung vor den Korruptionsausschuss wurde von den Regierungsparteien hintertrieben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?