Attacs Leipziger Maitage: Alternative Therapien für die Finanzkrise
Bei den Leipziger Maitagen des Netzwerks Attac diskutieren rund 300 Globalisierungskritiker die Möglichkeiten zur Neuregulierung der Finanzmärkte.
LEIPZIG taz Finanzmärkte müssen stärker reguliert werden, darin sind sich die meisten Ökonomen und Politiker inzwischen einig. Wie aber kann diese Regulierung aussehen? Reicht es, die Kreditvergabe der Banken einzuschränken? Oder hilft ein Verbot neuartiger Finanzprodukte, bei denen zuletzt selbst gestandene Banker den Durchblick verloren haben? Auf den Leipziger Maitagen des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac vergangenes Wochenende diskutierten Referenten und rund 300 Teilnehmer darüber, wie eine Neuregulierung der internationalen Finanzmärkte aussehen könnte.
Einer von ihnen war Lucas Zeise, Wirtschaftsjournalist der Financial Times Deutschland. Nach seiner Einschätzung ist die aktuelle Krise hausgemacht: "Auf den Boom der vergangenen Jahre musste der Crash folgen." Die immens hohen Renditeziele einiger Banken von 25 Prozent und mehr ließen sich nur "über gewaltige Kredithebel generieren", also mit geliehenem Geld, das weiter investiert wurde. Nach seiner Einschätzung war die ganze Spekulation "auf Sand gebaut".
Daher lautet seine Forderung: Die Bankenaufsicht muss das Kreditwachstum stärker begrenzen. Neue Regelwerke seien dafür jedoch nicht notwendig. "Diese Vorschriften gibt es bereits - sie wurden nur nicht eingehalten", sagt Zeise.
Gemeint sind die für alle Kreditinstitute in der EU geltenden Basler Vorschriften zum Eigenkapital, wonach eine Bank nicht mehr als das 12,5fache seines Eigenkapitals als Kredit vergeben darf. Diese Regeln seien rigoros umgangen worden, etwa indem risikobehaftete Wertpapiere außerhalb der Bilanz geführt wurden. "Inzwischen merken aber selbst die schläfrigen Bankenaufseher, dass sich etwas ändern muss", zeigt sich Zeise vorsichtig optimistisch.
Die Kreditregulierung ist auch für Jörg Huffschmid, Bremer Ökonom und Mitglied des Attac-Beirats, die "richtige Therapie für die Finanzkrise". Dessen tiefere Ursache sieht er in der "enormen Akkumulation von Kapital". In den letzten 30 Jahren sei das Vermögen drastisch von unten nach oben umverteilt worden. Finanzdienstleister wie Banken und Hedgefonds konkurrierten darum und erfänden immer neue Finanzprodukte, um höhere Renditen zu erwirtschaften. Diese Finanzinnovationen müssten stärker kontrolliert, "gegebenenfalls auch ganz verboten werden".
Der Ökonom warnt allerdings auch davor, die aktuelle Situation auf den Finanzmärkten überzubewerten. Bislang hätte die Finanzkrise noch keine großen Auswirkungen auf die Realwirtschaft in weiten Teilen Europas.
Während aber alle wie gebannt auf die Börsen starren, sei der Umbau der Wirtschaft durch die Finanzindustrie stetig vorangetrieben worden. Arbeitsbedingungen in Firmen, in denen sich Hedgefonds eingekauft haben, änderten sich teils drastisch, Mitarbeiter würden "wie Zitronen ausgequetscht" um mehr Rendite zu erwirtschaften.
"Die Globalisierungskritik ist in den Köpfen angekommen. Die Zeit ist reif, weitergehende Forderungen zu stellen und an konkreten Alternativen zu arbeiten", sagte Chris Methmann, Mitglied im Attac-Koordinierungskreis. In Kürze will Attac einen Forderungskatalog zur Regulierung der Finanzmärkte vorstellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen