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Attac mobilisiertDie Krise spürbar machen

Die Globalisierungskritiker von Attac wollen das Bewusstsein der Deutschen für die Folgen der Finanzkrise schärfen. Breite Mobilisierung in Europa geplant.

Stinkender Reichtum. Attac-Aktion am Donnerstag vor dem Reichstag. Bild: dapd

BERLIN taz | Im Grunde war 2012 kein gutes Jahr für Werner Rätz. Als Mitglied des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac beteiligte er sich im März an den Protesten gegen die europäische Krisenpolitik in der Bankenstadt Frankfurt. Die Demonstrationen wurden untersagt, es kamen weniger Menschen als erhofft. „Es ist uns nicht gelungen, ein Problembewusstsein massenhaft in den Köpfen zu verankern“, zog Rätz, der im bundesweiten Attac-Koordinierungskreis aktiv ist, auf der heutigen Pressekonferenz des Netzwerkes Bilanz.

Das Jahr 2013 soll besser werden. Attac Deutschland plane eine breitere gesellschaftliche Mobilisierung, hieß es auf der Pressekonferenz. Unter dem Motto „Umfairteilen – Reichtum besteuern“ hatte sich 2012 ein Aktionsbündnis gebildet, dem neben Attac 20 andere Gruppen, darunter Gewerkschaften, Sozialverbände oder kirchliche Organisationen, angehören.

Konkrete Forderungen sind eine Vermögensteuer, Vermögensabgaben und die Bekämpfung der Steuerflucht. Beim landesweiten Umfairteilen-Aktionstag im vergangenen September beteiligten sich rund 40.000 Menschen. „2012 war ein Anfang“, so Werner Rätz. „Attac steht für andere Krisenlösungen.“

In Deutschland gebe es zu wenig Bewusstsein über die Folgen der Finanzkrise. „Das wird als Problem der anderen wahrgenommen“, bemängelt Rätz. Laut einer repräsentativen Umfrage des Verbands Die Wirtschaftsjunioren sehen mehr als zwei Drittel der Befragten keinen Grund zur Beunruhigung. Die Angst vor der Krise sei in Deutschland kaum verbreitet.

Dabei habe die Rezession nicht nur Auswirkungen auf die die Problemregionen, sondern „auf das Leben aller“, so Rätz. „In Südeuropa wird vorbereitet, was die Regierungschefs sich für ganz Europa vorstellen: Sparpolitik und der Ausverkauf des öffentlichen Eigentums.“ Dabei profitiere Deutschland von der Krise, so Stephan Lindner vom Koordinierungskreis, etwa durch niedrige Kreditzinsen oder hohe Exportzahlen durch einen niedrigen Eurokurs.

Von einem Regierungswechsel erwartet sich Attac entsprechend wenig. Rot-Grün habe mit der Agenda 2010 gezeigt, dass ein parteiübergreifender Konsens für Marktliberalisierung und Sparpolitik bestehe. Ziel sei deshalb, eine europäische Protestbewegung aufzubauen.

Neue Ideen hierfür gibt es aber wenig. Mit der Teilnahme am Blockupy-Bündnis in Frankfurt und einem landesweiten Aktionstag zum EU-Frühjahrsgipfels setze man erneut auf Bewusstseinsbildung durch Protest.

„Politikwechsel wird sich nicht mit einem Wahlkreuz machen lassen“, so das Fazit von Jutta Sundermann vom Koordinierungskreis.

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9 Kommentare

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  • B
    Billy

    @ mischka75 & finanzkrise:

    Er kann halt net anders! Schon der Satzt:" wo linke Vorgaben auf mathematische banalitäten trifft", ist derartig obskur, das es einem den Lachmuskel zerreist!!! Noch sitzt er am Fleischtopf, aber wehe er wird im weggenommen! Das sind dann die, die bei RTL am lautesten schreien!!!

    "überbordende Gewerkschaftsvorgaben", ich reiss mich gleich wech!!

    Lasst Ihn doch in seiner Schnitzel Welt! Mit Fondsgebundener Rentenversicherung, köstlich

    Cheers.

  • M
    mischka75

    @Finanzkrise - Nachtrag

     

    Ich hab mich schon vor mehr als 20 Jahren gefragt, woher diese fatale Gutgläubigkeit stammt, der "Markt" würde irgendetwas regeln. Ich finde bis heute keine einzige Antwort auf diese Frage. Seit der Industrialisierung, ja spätestens nach der Entfesselung der Finanzmärkte durch die Neoliberalisten, pumpen sich gigantische Spekulationsblasen aus virtuellem Kapital auf, die, wenn sie dann endgültig platzen, vom Staat bzw. dem Steuerzahler refinanziert werden müssen. Entschuldigen Sie bitte, aber ausgerechnet in Ihrer Lehre vom freien Markt werden mit Unsummen die Banken gerettet. Ohne Gegenleistung. Allein in Island hatten die drei größten Banken neun mal mehr Kapital geschöpft, als es die Wirtschaftskraft des Landes hergab. Was soll da der Unsinn mit den "pervertierten Märkten"?

     

    :-( ????

  • M
    mischka75

    @Finanzkrise

     

    Sie werfen zu viel durcheinander. Im Kapitalismus werden die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert. Das sieht man eigentlich ganz deutlich in dieser zyklischen Krise. Wer reich ist, wird reicher; wer arm ist ärmer. Diese Realität zerreißt die Menschheit und vernichtet unsere Lebensgrundlage. "Nach uns die Sinntflut", ist das Motto in den Chefetagen. Die eigentlichen Sozialschmarotzer sitzen genau dort! Der Sozialstaat hat die Rolle übernommen, Löhne zu zahlen, für Arbeit, an der andere verdienen. Die Lehre vom freien Markt hinterlässt verbrannte Erde - global. Das macht auch vor den Grenzen Europas keinen Halt, auch nicht vor den Grenzen Deutschlands und auch nicht vor Ihrer Haustür! Ich möchte das bloß klarstellen, denn weder die "Griechen", die "Spanier", die "Migranten", die "Juden" oder auch beliebt die "Kommunisten" können da irgendwas für.

     

    Weniger "Bild" lesen oder vor der Glotze verblöden hilft da!

  • L
    libra12

    Beim Lesen dieser Kommentare wird schon klar, warum sich hier nix mehr tut. Die Welt wird offensichtlich überschwemmt von beissendem Zynismus und überall agieren die kleinen Handlanger eines menschenverachtenden Großkapitals. Wie gehabt. Keine Revolution in Sicht.

  • AS
    Alisa Schneider

    Achgottchen, einige versprengte Attac-Anhänger gibt's noch? "Globalisierungskritiker", die Europa nun Welt "breit mobilisieren" wollen!?! Bekannt aus Funk und Fernsehen von vor gefühlten tausend Jahren? Sorry, inzwischen gab's schon Occupy und die sind nun auch mausetot. Mal sehen, woher der nächste kurzlebige Internet-Hype kommt...

  • P
    Papperlapapp

    " „Attac steht für andere Krisenlösungen." ... Auf auf , ihr Gutmenschen alle ! Auf ins letzte Gefecht ! Auf in den Kampf gegen Tyrannosaurus Rex ! Nehmt eure Pappmachee-Schwerter in die Hand und los geht's !

     

    Lächerliche Kindereien . Flohstiche auf den Hintern des Monstrums ...

  • F
    Finanzkrise?

    "Politikwechsel wird sich nicht mit einem Wahlkreuz machen lassen", so das Fazit von Jutta Sundermann vom Koordinierungskreis.

     

    Da weiß man welche "Lösungen" da so in den Köpfen schweben. "Koordinierungskreis" klingt jedenfalls besser als "Zentralrat".

     

    "Finanzkrise" ist übrigend ein Kampfbegriff. Es müsste Staatswirtschafts-Krise heißen. Dort wo Staatsverschuldung, überbordende Gewerkschaftsvorgaben, staatlicher Protektionismus und Vetternwirtschaft den Markt pervertierten ist die Pleite gekommen. Nicht umsonst bricht gerade Frankreich ein, der Staat mit der größten Subventions-"Wirtschaft" Europas in dem linke Vorgaben auf mathematische Banalität treffen. Das ist Tatsache, passt aber nicht ins Weltbild. Da macht Mistwerfen und Phrasendreschen einfach mehr Spaß. Blöd wenn nur die üblichen Verdächtigen mitmachen. Jetzt hilft nur Gewalt, Randale und sonstiges aus dem antidemokratischen Wunderkasten der Bessermenschen.

  • KS
    Kurt Schieler

    Das Zentrum der Krise der westlichen Welt ist zumindest benannt.

     

    Aber weder "Globalisierungsgegner" noch die Neo-Liberalen in den USA haben eine glaubwürde Lösung zur Hand.

     

    Das ist das beunruhigende.

     

    Es geht den Aktueren nicht um ein stabiles System in dem jeder sein Glück finden kann und keiner ins Bodenlose fällt, sondern um ihre eigenen situativen Interessen (Gewinn, Neid, Sozialstaat, ..)

  • P
    peterwmeisel

    NZZ 31.12.12 schreibt:

    Eine Politisierung der Notenbanken und Einbussen ihrer Unabhängigkeit drohen nach Ansicht von Marktbeobachtern. Der schwache Yen ist ein Vorzeichen.

    Kombiniert werde die zu erwartende Stimulierungspolitik mit einer resoluten monetären Lockerung durch die vermeintlich unabhängige Notenbank. Eine der Folgen werde sein, dass der Yen, der gegenüber dem

    US-Dollar bereits auf den niedrigsten Stand seit über zwei Jahren gefallen ist, weiter an Wert verlieren werde. Nutzniesser werde die japanische Exportindustrie sein.

    Ein solcher Politikwechsel ist nicht ohne Folgen für andere Staaten. Die Gefahr von kompetitiver Abwertung nimmt zu. Jeff Gundlach von der Anlagefirma Double Line Capital und früher von der TWC Group sieht Japan zudem als Modell aller hochverschuldeten Staaten: Da die Verschuldung längst das Mass überschritten habe, zu dem sie noch auf normalem Weg abgebaut werden könne, blieben nur noch «archaische» Wege,

    das heisst Geldentwertung. Das wird die eiserne Kanzlerin und Europa abwickeln?

    Seit 1990: Ein Blick auf die Statistik der Geldvermehrung bis heute zeigt dies! Die Produktion ist auf ein Fünftel der realen Werte zurückgeblieben. Und das virtuelle Geldvermögen wächst und wächst ungebremst.

    Geld ist ein Versprechen einmal reale Güter dafür zu erhalten! Den Rest kann jeder bei J.M.Keynes 1883-1946 in seinem Buch von 1936 der "Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes", Kapitel 12, die Gründe für die Instabilität der Finanzmärkte, nachlesen. Deshalb unterstütze ich ATTAC.