Attac-Sprecher über Investitionsschutz: „Die Staaten können nur verlieren“
Die Bundesregierung hat die Mauritius-Konvention unterschrieben, die Investitions-Staat-Schiedsverfahren transparenter macht. Attac hält das für Augenwischerei.
taz: Herr Süß, die Mauritius-Konvention soll laut Bundesregierung Schiedsgerichtsverfahren „deutlich transparenter“ machen. Geht sie dafür weit genug?
Roland Süß: Die Mauritius-Konvention ist lediglich ein kleiner Schritt auf dem Weg zu mehr Transparenz innerhalb der Investitions-Staat-Schiedsverfahren. Sie gilt nur, wenn der beklagte Staat die Konvention ratifiziert hat und der Investor einem Staat angehört, der diese unterschrieben hat. Hat nur der beklagte Staat die Konvention ratifiziert, so entscheidet nur der Investor, ob Verhandlungen öffentlich sind oder nicht. Außerdem ist mangelnde Transparenz nur ein Teil des Problems.
Inwiefern?
Es gibt bei den Verfahren zum Beispiel weiterhin keine Revisionsmöglichkeit, obwohl das in ordentlichen Gerichtsverfahren so üblich ist. Zudem sind die Verfahren nach wie vor zu einseitig. Investoren haben ein Klagerecht, Staaten nicht. Das heißt, sie können nur verlieren. Es nützt wenig, dass die Verfahren in Zukunft transparenter werden sollen. Sie sind grundsätzlich falsch.
Roland Süß (60) ist selbstständiger Gebäude-Energieberater und bei Attac für den Bereich Handel zuständig.
Was bedeutet für Sie „grundsätzlich falsch“?
Investitions-Staat-Schiedsverfahren schaffen eine Paralleljustiz, die wir ablehnen. Außerdem geht es in den Verfahren nur darum, ob Handlungen mit den Investitionsschutzverträgen konform sind. Das heißt, dass wichtige Fragen beispielsweise des Umweltschutzes oder von Sozialstandards gar nicht verhandelt werden.
Also halten Sie die Mauritius-Konvention für eine Nebelkerze?
Die Bundesregierung oder auch Wirtschaftsverbände nutzen die Konvention auch für andere Interessen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie, BDI, hat es Anfang des Monats beispielsweise so dargestellt, als sei durch die Ratifizierung plötzlich alles viel transparenter und man könne Transatlantische Freihandelsabkommen wie TTIP und Ceta nun plötzlich ganz anders betrachten. Dabei haben diese zwei Verträge gar nichts mit der Mauritius-Konvention zu tun. Diese regelt lediglich die Transparenzregeln für frühere Verträge.
Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern?
Deutschland hat momentan 129 Investitionsschutzabkommen. Südafrika hat das Abkommen mit Deutschland im vergangenen Jahr gekündigt. Auch Australien steigt aus diesen Abkommen aus. Denn beide Länder haben verstanden, dass ihnen die Abkommen und die Schiedsverfahren nichts bringen, aber sie sehr viel kosten. Gewinner der Verträge sind allein die Investoren. Die Kündigung all dieser Abkommen wäre die vernünftigste Lösung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste