Atommüll: Grüne fordern Castor-Stopp
Es ist ungeklärt, wie es am Atommüll-Zwischenlager in Gorleben zu erhöhten Strahlungs-Messwerten kam. Europa-Abgeordnete Harms fordert, Vorbereitungen für Atommüll-Transporte abzubrechen.
GÖTTINGEN taz | Die Vorbereitungen des für November geplanten Castortransportes müssen nach Ansicht der Grünen wegen der erhöhten Radioaktivität am Atommüllzwischenlager Gorleben sofort unterbrochen werden. "In der Aufarbeitungsanlage La Hague darf bis zu einer Klärung der Vorfälle kein weiterer Castorbehälter mehr beladen werden", sagte die Europaabgeordnete Rebecca Harms gestern der taz.
Wenn die in der vergangenen Woche bekannt gewordenen Werte zuträfen, "dann müssen wir auch über die Grenzen der Einlagerung in Gorleben reden", sagte Harms weiter. Der Grenzwert von 0,3 Millisievert müsse dauerhaft eingehalten werden. Ob das angesichts der aktuellen Werte bei zusätzlichen Einlagerungen noch möglich sei, bezweifele sie. Die Castorhalle in Gorleben sei baulich viel weniger für die Aufbewahrung von hochradioaktivem Atommüll geeignet als etwa die Zwischenlager an den AKW-Standorten, so Harms. Das Lager am Atomkraftwerk Grohnde weise einen 15-mal niedrigeren Wert am Zaun auf als Gorleben.
Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hatte an einem Messpunkt am Zaun des Zwischenlagers eine Neutronenstrahlung ermittelt, die auf das Jahr hochgerechnet den Wert von 0,27 Millisievert erreicht. Bei der Einlagerung weiterer Castoren könnte 2012 der Grenzwert von 0,3 Millisievert erreicht oder überschritten werden, prognostizierte die Behörde. Für 2010 hatte der NLWKN eine Jahresdosis von 0,23 Millisievert festgestellt.
Als mögliche Erklärung hatte das Umweltministerium angeboten, dass die fragliche Messsonde dieses Jahr um vier Meter näher an das Zwischenlager versetzt worden sei. Greenpeace verweist hingegen darauf, dass die Brennelemente in den AKWs zunehmend länger abgebrannt werden. Dieses führe zu erhöhter Radioaktivität des Atommülls.
Gestern Nachmittag trafen sich Experten von Behörden, TÜV und dem Zwischenlager-Betreiber Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) im Umweltministerium, um über Ursachen und Konsequenzen der erhöhten Strahlung zu beraten. Sie wollten auch darüber sprechen, warum die Anlagen der GNS keine gestiegene Neutronen-Strahlung gemessen haben.
Die GNS hat nach eigenen Angaben wenige Meter vom Messpunkt des NLWKN entfernt für 2010 einen Wert von 0,17 Millisievert gemessen und für dieses Jahr 0,175 Millisievert vorhergesagt. "Wir haben keine Zweifel an unseren Messdaten", sagt GNS-Sprecher Jürgen Auer. Zudem sollten bei der Zusammenkunft in Hannover Maßnahmen erörtert werden, um die Strahlung unterhalb des Grenzwertes zu halten. Das Umweltministerium hatte im Vorfeld das Umstellen der Behälter im Lager oder zusätzliche Bleiummantelungen als Möglichkeiten ins Spiel gebracht. Die Grünen-Politikerin Harms bezeichnete dies gestern als unzureichendes "Provisorium".
Atomkraftkritische Landwirte aus dem Wendland verlangten unterdessen die komplette Schließung des Gorlebener Zwischenlagers. Die dort bereits lagernden Castorbehälter sollten abtransportiert werden, sagte der Sprecher der Bäuerlichen Notgemeinschaft Carsten Niemann der taz. Die Menschen in der Region seien durch die von diesen Castoren ausgehende Radioaktivität einer Gesundheitsgefährdung ausgesetzt, so Niemann. Die Bevölkerung werde systematisch über einen langen Zeitraum verstrahlt. "Wir leben hier und können nicht weg", sagte Niemann. Für die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg forderte Sprecher Wolfgang Ehmke eine Offenlegung aller Messwerte am Zwischenlager.
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