Athleten-Widerstand nicht nur in den USA: We the Sport – We the People
Während Donald Trump Ex-Golfprofis ehrt, kämpfen Basketball- und Tennisprofis für Menschenrechte. Sport hat ein enormes demokratisches Potenzial.
Die Meldung des Tages aus Washington: Die Golfprofis Annika Sörenstam aus Schweden und Gary Player aus Südafrika werden von Noch-US-Präsident Donald Trump mit der Presidential Medal of Freedom geehrt. Trump verkündete dies einen Tag nach dem Sturm des Capitols. Beide nehmen die Ehrung an.
Nimmt man ernst, was überall hoch- und runtergebetet wird, ist das völlig okay: Sport und Politik haben nichts miteinander zu tun, also brauchen sich Sörenstam und Player auch nicht mit Trumps Regime beschäftigen. „Beim Sport geht es darum, Menschen zu vereinen. Menschen aus allen Lebensbereichen, mit allen politischen Ansichten. Sie sollten im Sport willkommen sein.“ Solche Sätze sind nicht nur im deutschen Sport mehrheitsfähig, ach, was sage ich, sie sind Allgemeingut.
Diese Sätze stammen von Kelly Loeffler, Mitbesitzerin eines Profiteams der US-Frauenbasketballliga WNBA, in diesen Tagen gescheiterte Kandidatin um einen Sitz im US-Senat und bis Mittwochabend loyale Gefolgsfrau von Trump. Gescheitert ist Loeffler nicht zuletzt an der politischen Macht der Spielerinnen. Es waren die schlecht bezahlten Angestellten von Klubbesitzern – und nicht die ja tatsächlich supergut bezahlten männlichen NBA-Profis -, die Loeffler und Konsorten vom Platz gejagt haben.
Man kann auch sagen: Es waren diese Sportlerinnen, die die Politik im Sport sichtbar gemacht haben, wofür wir ihnen mehr als nur dankbar sein sollten. Sie haben nämlich an einem praktischen Beispiel und zu einem verdammt wichtigen historischen Zeitpunkt bewiesen, dass die Rede vom unpolitischen Sport ein unglaublich reaktionäres Geschwafel ist. Sie ist bloß dieser Unfug, mit dem vom IOC und der Fifa bis hin zum DOSB und Horst Seehofers Sportministerium alle hausieren gehen. Doch das hat, das ist schön, Loeffler nicht geholfen.
Freiheitsmedaille, Lorberblatt und „mündiger Athlet“
Muhammad Ali, Billie Jean King, Tommie Smith und John Carlos, das sind große Namen in der Tradition von Sportlerwiderstand. All denen wurde in dem Moment, in dem sie sich zu Wort meldeten, mitgeteilt, sie hätten nicht genügend Überblick, ihnen fehlte es an Bildung, Lebenserfahrung und charakterlicher Eignung – schließlich seien sie doch letztlich nur Sportler, tumbe Muskelpakete. Nur wenn Athleten Worte wie „Vorbildfunktion des Sports“ oder „soziale Verantwortung“ sagen und sich mit Freiheitsmedaille oder Silbernem Lorbeerblatt würdigen lassen, dann sind die Herrschaften, die sich selbst als politische Elite betrachten, bereit, Sportlern den Status eines „mündigen Athleten“ zu verleihen.
Sportlern, die aktiv werden, wir immer gesagt, sie hätten nicht genügend Überblick, ihnen fehlte es an Bildung, sie seien ja nur Sportler.
„Don’t mix sports and politics“ ist ein politisches Gebot. Und zwar eines von oben. Doch die Antwort, wie sie derzeit von NBA- und WNBA-Profis, von Naomi Ōsaka und Colin Kaepernick und vielen anderen kommt, ist eine unglaublich wichtige und eminent demokratische Selbstermächtigung: Wir sind der Sport. An die Trumps und Loefflers gerichtet lautet sie: Ihr seid nur die, die mit unserem Können Geld verdienen wollen.
Das Gehalts- und Einkommensgefälle zwischen NBA-Stars und der US-Open-Siegerin Ōsaka auf der einen und den unterbezahlten Spielerinnen der WNBA auf der anderen Seite ist enorm, aber Opfer von Rassismus und Sexismus können alle werden, und wurden es oft auch. Zudem haben auch Athleten, die durch den Sport zu Multimillionären wurden, oft nicht vergessen, dass sie meist aus der Working Class kommen. Viele wissen auch, wer ihre Fans sind, wer bei ihrem Aufstieg an ihrer Seite stand. Ganz allgemein gilt, das im großen Volksvergnügen Sport ein enormes demokratisches Potenzial steckt, das derzeit immer deutlicher zu Tage tritt. Öfter im Basket- und Fußball, manchmal im Tennis und wie wir seit Donnerstag wissen: eher nicht im Golf.