piwik no script img

Asylverfahren und Thomas de MaizièreBeschleunigen oder abtreten

Die Polizei hat massive Probleme bei der Erfassung von Flüchtlingsdaten. Ralf Stegner (SPD) fordert den Rücktritt von Bundesinnenminister Thomas de Maizière.

Ralf Stegner fletscht die Zähne. Foto: dpa

Berlin afp | Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) den Rücktritt nahegelegt, wenn er die Probleme bei der Bearbeitung der Asylanträge nicht in den Griff bekommt.

De Maizière müsse „endlich die Asylverfahren beschleunigen, wie das Länder und Kommunen seit vielen Monaten fordern“, sagte Stegner der Bild am Sonntag. „Wenn er bei diesem Kernproblem weiter versagt, reicht es nicht, wenn nur der Bamf-Chef abtritt. Dann sollte de Maizière als verantwortlicher Minister zurücktreten.“

Der Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Manfred Schmidt, war am Donnerstag nach wochenlanger Kritik an seiner Behörde zurückgetreten. Hilfe bei der Bearbeitung der sich stauenden Asylanträge erhofft sich de Maizière von Beamten, die aus dem Ruhestand zurückgeholt werden. Nach Informationen von Bild am Sonntag meldeten sich inzwischen 220 ehemalige Staatsdiener zum Dienst – darunter einfache Sachbearbeiter und ein früherer Staatssekretär. Das Innenministerium prüft dem Bericht zufolge nun, wie die Ruheständler eingesetzt werden können.

Nach einem Bericht der Welt am Sonntag gibt es bei der Erfassung der Daten von Flüchtlingen gravierende Schwachstellen. Bundespolizei und Länderpolizeien könnten ihre Datensätze nicht mit dem Bamf elektronisch austauschen, berichtete die Zeitung. Der Grund: Die IT-Systeme sind zu unterschiedlich, so dass es keine Schnittstellen gibt. Dies habe das Bundesinnenministerium bestätigt. „Aktuell benutzen die verschiedenen Behörden für die Bearbeitung der Asylverfahren unterschiedliche IT-Systeme“, teilte das Ministerium demnach mit.

Doppelte Arbeit

Mitarbeiter des Bamf müssen bereits erhobene Daten der Polizei momentan per Hand nochmals neu in die Computer eingeben. „Die Bundespolizei kann Aufgriffsmeldungen von Flüchtlingen und die Ergebnisse von erkennungsdienstlichen Behandlungen bisher nur per E-Mail an das Bamf übermitteln“, sagte ein hochrangiger Bundespolizist der Zeitung. Die Bamf-Angestellten müssten diese Daten dann in ihr eigenes IT-System übertragen. „Das ist eine unglaubliche Doppelarbeit“, sagte der Polizist.

Das Präsidium der Bundespolizei in Potsdam bestätigte dem Bericht zufolge diesen Missstand: „Warum ein entsprechender Übergang zu den Systemen des Bamf, der eine Kompatibilität sicherstellen würde, bisher nicht geschaffen wurde, ist der Bundespolizei nicht bekannt.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Diese hier geforderte lückenlose Datenabgleichsmöglichkeit zwischen Polizei und BAMF wäre unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten mehr als fragwürdig.

    Das es da unterschiedliche IT-Systeme gibt ist in diesem Sinn kein Bug sondern ein Feature.

  • nu ja. da verlangt ein großmaul den rücktritt eines anderen.

    das hat schon was.

    • @christine rölke-sommer:

      Hat de Maizière etwa irgendwo den Rücktrtt Stegners gefordert? Stegner mag ja ein "Großmaul" sein, aber wo er recht hat, hat er recht.

  • Ein Teil der Verbesserung der Organisation muss sicherlich direkt vom Bundesinnenministerium in die Wege geleitet werden. Das betrifft insbesondere den Datenabgleich zwischen Polizei und BAMF.

     

    Allerdings ist es auch gerade in der heutigen Zeit nicht zu fassen, wenn gerade die Spitze des BAMF als Nebenjob für den Präsidenten der Bundesagentur für Arbeit angesehen wird. Ein Fehlgriff in direkter Verantwortung des Ministers.

     

    Zudem hat es dieser Minister doch zu verantworten, dass nicht einmal die normale Zahl an Anträgen von Flüchtlingen und Asylsuchenden abgearbeitet werden konnte. Die himmelschreiende personelle Unterversorgung zu Lasten der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und betroffenen Flüchtlingen hat dieser CDU-Minister zu verantworten.

     

    Als hätte der Minister nicht bereits genügend sinnvolle Dinge zu tun, gießt er auch noch mal mit der Diskussion über Leistungen für Asylbewerber Öl ins Feuer. Es kann gerätselt werden, ob er die entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2012 schon vergessen hat. Oder will die Union hier ein verfassungswidriges Gesetz verabschieden?

  • "Die Bamf-Angestellten müssten diese Daten dann in ihr eigenes IT-System übertragen. „Das ist eine unglaubliche Doppelarbeit“, sagte der Polizist...."

     

    Ein echtes "Integrationsproblem", wie es scheint. Wenn vernünftige SQL-Datenbanken verwendet werden, können mit einer kleinen Anzahl von IT-SpezialistInnen in kürzester Zeit automatisierte Schnittstellen geschaffen werden.

     

    Andernfalls könnten auch pfiffige IT-UserInnen mal eben paar EXCEL-Tabellen exportieren und importieren.

     

    (Datenschutz können wir in diesem Falle doch mal ignorieren.

    [/sarkasmus])

  • Ich stimme Herrn Stegner in diesem Punkt uneingeschränkt zu. Thomas de Maizière ist doch schon lange als Minister nicht mehr tragbar. Als früherer Chef des Bundeskanzleramtes, als Bundesminister für besondere Aufgaben, als Verteidigungsminister und als Innenminister war und ist er ein kompletter Flop. Im seltsamen Sachsenland, wo er einst als Finanz-, Justiz- und Innenminister seine Verfassungsauflösungspolitik begann, mag man mit ihm ja so ganz zufrieden gewesen sein, im Bund sollten aber tunlichst andere Maßstäbe angesetzt werden.

    • @Rainer B.:

      ;)) Hau wech denn …

       

      Ansonsten -> a Rentiere

      Wenns 'ne Dependance in Kölle gibt -

      - Seit 2000 Jahren - die Immitown! - &

      Weisungsfreiheit ala @CRS - garantiert -

      Ne halbe Stelle könnte verhandelt werden;!¡

      http://www.taz.de/!5231814/#bb_message_3295398

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Wir schaffen das -

     

    aber nicht bei dieser Rückständigkeit der Systemanwendungen, die der Bundesinnenminister zu verantworten hat.

    Stegner hat recht mit seiner Rücktrittsforderung an den großmäuligen Versager de Maizière.