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Asylschnellverfahren an der GrenzeSchnell, schneller, Transit

Die Bundesregierung prüft die Einrichtung von Schnellverfahren an der Grenze. Nach EU-Recht wäre das für maximal zwei Jahre zulässig.

Für Schnellverfahren müssten Lager an der Grenze entstehen. Foto: dpa

Freiburg taz | Die Bundesregierung liebäugelt mit der Einführung von Asylschnellverfahren in „Transitzonen“ an der deutschen Grenze. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) sprach in Bild am Sonntag von einem „vernünftigen“ Vorschlag, der die Probleme allerdings nicht allein lösen könne. Auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) befürwortete eine solche Regelung.

Der Begriff „Transitzonen“ stammt von Umsteigezonen auf Flughäfen, in denen offiziell noch keine Einreise ins jeweilige Land erfolgt. Dort werden schon seit 1993 Eil-Asylverfahren in einfachen Fällen durchgeführt. Gleiches soll nun auch an den deutschen Landgrenzen möglich werden.

Die CSU fordert dies schon seit Wochen. Erst am Freitag hatte der bayerische Ministerrat beschlossen: „Der Bund muss umgehend die gesetzlichen Grundlagen für die Einführung des Landgrenzverfahrens schaffen, um beschleunigte Asylverfahren in Transitzonen durchführen zu können und die Einreise vorläufig zu verweigern.“

In einem ersten Entwurf des Asylverfahren-Beschleunigungsgesetzes, das am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden soll, waren Mitte September bereits entsprechende Regelungen enthalten. Paragraf 18b des Asylgesetzes sah ein besonderes „Verfahren bei der Einreise auf dem Landwege“ vor. In der nächsten Fassung des Gesetzentwurfs war der Passus wieder gestrichen. Altmaier kündigte an: „Wir besprechen diese Frage gerade in der Koalition. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Tagen zu einer Entscheidung kommen.“

Wir besprechen diese Frage gerade in der Koalition. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Tagen zu einer Entscheidung kommen.

Peter Altmaier

EU: Transitzonen in der EU nur temporär zulässig

Die EU-Asylrichtlinie sieht solche Transitzonen durchaus vor. Danach können an der Grenze oder in Transitzonen Asylverfahren durchgeführt werden, wenn der Antragsteller zum Beispiel aus einem „sicheren Herkunftsstaat“ kommt, nichts Asylrelevantes vorgetragen hat, seine Ausweispapier absichtlich vernichtete oder falsche Angaben macht.

Anfang Oktober hat die EU-Kommission allerdings laut Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung darauf hingewiesen, dass Transitzonen typischerweise ein Instrument für die EU-Außengrenzen sind. Dagegen seien an den EU-Binnengrenzen Grenzkontrollen und damit auch Transitzonen nur vorübergehend zulässig.

Die Zulässigkeit von Grenzkontrollen an EU-Binnengrenzen regelt der Schengener Grenzkodex, eine EU-Verordnung. Danach sind die derzeit eingeführten „sofortigen“ Grenzkontrollen maximal zwei Monate lang zulässig. Wenn die Grenzkontrollen vorher gegenüber der EU-Kommission und den anderen EU-Staaten angekündigt werden, sind sie maximal sechs Monate möglich. Unter „außergewöhnlichen Umständen“ sind aber maximal zwei Jahre möglich. In diesem Fall muss wegen mangelhafter Kontrollen an den Außengrenzen der „Raum ohne Binnengrenzen“ insgesamt gefährdet sein.

Grenzsicherung und weitere Investitionen wären nötig

Möglicherweise spekuliert die Bundesregierung darauf, zumindest zwei Jahre lang Asylverfahren in Transitzonen durchführen zu können. Dann könnte sie dort auch Flüchtlinge, für die nach den Dublin-Regelungen ein anderer EU-Staat zuständig ist, zurückweisen. Dies sieht das Asylverfahrensgesetz schon heute vor. Allerdings würde all dies gewaltige Investitionen in neue Gebäude für Unterbringung und Befragung der Asylsuchenden erfordern.

Zudem müsste wohl die Grenze gesichert werden, damit die Grenzkontrollen nicht einfach umgangen werden. Nach der EU-Verfahrensrichtlinie müssten die Verfahren an der Grenze binnen vier Wochen abgeschlossen sein. In dieser Zeit schafft man es heute meist nicht, die Flüchtlinge auch nur zu registrieren. Und dass die zuständigen Herkunfts-, Durchreise- und Dublin-Staaten die im Transit abgewiesenen Flüchtlinge wieder aufnehmen, ist auch nicht selbstverständlich.

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