Asylpolitik in den Niederlanden: Grenzen schließen, Syrer*innen abschieben
Geert Wilders, Chef der rechtspopulistischen PVV, fordert drastische Maßnahmen. Andernfalls droht er seinen Partnern mit einem Rückzug aus der Regierung.

Auch sollen mehrere Asylunterkünfte geschlossen und keine neuen geöffnet werden. Syrische Geflüchtete mit vorübergehendem Aufenthaltsstatus müssen nach dem Willen der größten Partei der niederländischen Rechts-Koalition innerhalb eines halben Jahres das Land verlassen oder werden abgeschoben. Laut PVV-Chef Geert Wilders geht es um rund 60.000 Personen. „Die Hälfte bis zwei Drittel des Landes sind sicher genug“, erklärte Wilders, der selbst keine Funktion in der Regierung hat, bei einer spontan einberufenen Pressekonferenz in Den Haag.
Die von der PVV angeführte Koalition, zu der auch die liberal-rechte Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD), der konservative Nieuw Sociaal Contract (NSC) sowie die BoerBurgerBeweging (BBB) zählen, trat vor knapp einem Jahr an – mit dem erklärten Ziel, die niederländische Asyl- und Migrationspolitik zu einer der strengsten in Europa zu machen. Dennoch laufe man Ländern wie Deutschland, Österreich und Belgien „hinterher“, so Wilders, der betonte: „Die Wähler:innen haben das Recht auf ein Kabinett, das liefert.“
Die Beschränkung der Zuwanderung war Ende 2023 der Hauptgrund für den deutlichen Wahlsieg der Rechtspopulist*innen. Tatsächlich sind die Asylantragszahlen ab Mitte 2024 gesunken, analog zum EU-weiten Trend. Im ersten Quartal 2025 fragten 50 Prozent weniger Menschen Asyl in den Niederlanden an als im selben Zeitraum des Vorjahrs. Zugleich musste die PVV zur Kenntnis nehmen, dass ihre drastischen Ziele, die auch im Koalitionsvertrag verankert sind, in der Realität an juristischen Beschränkungen oder verfassungsrechtlichen Bedenken der Koalitionspartner scheiterten.
Instabiles Bild
Die Koalition, an deren Spitze statt Wilders der parteilose frühere Spitzenbeamte Dick Schoof steht, gibt unterdessen ein instabiles und wenig kongruentes Bild ab. Marjolein Faber, als Asyl- und Migrations-Ministerin für die Wilders-Partei die zentrale Figur des Kabinetts, fällt vor allem durch markige Worte und Symbolpolitik auf. Ansonsten wirkt sie jedoch unbeholfen und bringt regelmäßig die Opposition gegen sich auf. Inzwischen sinken auch die Umfragewerte der PVV, was die drohende Rhetorik Wilders’ gegenüber den anderen Mitgliedern der Koalition erklärt.
„Die Grenze ist erreicht“, polterte er im Pressezentrum und kündigte einen Kurswechsel seiner Partei an, die sich bislang „sehr redlich und sehr geduldig“ gezeigt habe. „Ab heute zieht die PVV die Samthandschuhe aus.“
Wilders klagte auch über „die schrecklichen Asylheime, die wie Pilze aus dem Boden schießen“– ein Hinweis in Richtung der heftigen Proteste, die in diesem Frühjahr in mehreren niederländischen Gemeinden gegen solche Unterkünfte aufflammten und die die PVV seit Jahren aktiv schürt. Sollte sich die Lage in den nächsten Wochen nicht ändern, so Wilders, „sind wir weg“.
Von den Koalitionsparteien gab es zunächst keine Reaktionen auf den Vorstoß, der am Dienstagmorgen Thema der regulären Gesprächsrunde der vier Vorsitzenden sein dürfte. Rob Jetten, Chef der linksliberalen Oppositionspartei D66, kommentierte, Wilders führe eine „politische Show“ auf, die ihm selbst nutzen solle, aber das Land nicht weiterbringe.
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