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Asylpolitik in den NiederlandenGrenzen schließen, Sy­re­r*in­nen abschieben

Geert Wilders, Chef der rechtspopulistischen PVV, fordert drastische Maßnahmen. Andernfalls droht er seinen Partnern mit einem Rückzug aus der Regierung.

Geert Wilders, Chef der PVV: Im ersten Quartal 2025 baten 50 Prozent weniger Menschen als im Vorjahr um Asyl in den Niederlanden Foto: Peter Dejong/AP/dpa

Amsterdam taz | Die Niederlande sollen innerhalb der nächsten Wochen ihre Grenzen für Asyl­be­wer­be­r*in­nen schließen und mit Hilfe des Militärs besser bewachen. Außerdem ist der Familiennachzug vorübergehend auszusetzen und Geflüchtete mit Aufenthaltsstatus, die aus Mangel an Wohnraum weiter in einer staatlichen Unterkunft leben, müssen bei Verwandten unterkommen. Diese Ad-hoc-Maßnahmen stellte die rechtspopulistische Partij voor de Vrijheid (PVV) am Montag vor.

Auch sollen mehrere Asylunterkünfte geschlossen und keine neuen geöffnet werden. Syrische Geflüchtete mit vorübergehendem Aufenthaltsstatus müssen nach dem Willen der größten Partei der niederländischen Rechts-Koalition innerhalb eines halben Jahres das Land verlassen oder werden abgeschoben. Laut PVV-Chef Geert Wilders geht es um rund 60.000 Personen. „Die Hälfte bis zwei Drittel des Landes sind sicher genug“, erklärte Wilders, der selbst keine Funktion in der Regierung hat, bei einer spontan einberufenen Pressekonferenz in Den Haag.

Die von der PVV angeführte Koalition, zu der auch die liberal-rechte Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD), der konservative Nieuw Sociaal Contract (NSC) sowie die BoerBurgerBeweging (BBB) zählen, trat vor knapp einem Jahr an – mit dem erklärten Ziel, die niederländische Asyl- und Migrationspolitik zu einer der strengsten in Europa zu machen. Dennoch laufe man Ländern wie Deutschland, Österreich und Belgien „hinterher“, so Wilders, der betonte: „Die Wäh­le­r:in­nen haben das Recht auf ein Kabinett, das liefert.“

Die Beschränkung der Zuwanderung war Ende 2023 der Hauptgrund für den deutlichen Wahlsieg der Rechts­po­pu­lis­t*in­nen. Tatsächlich sind die Asylantragszahlen ab Mitte 2024 gesunken, analog zum EU-weiten Trend. Im ersten Quartal 2025 fragten 50 Prozent weniger Menschen Asyl in den Niederlanden an als im selben Zeitraum des Vorjahrs. Zugleich musste die PVV zur Kenntnis nehmen, dass ihre drastischen Ziele, die auch im Koalitionsvertrag verankert sind, in der Realität an juristischen Beschränkungen oder verfassungsrechtlichen Bedenken der Koalitionspartner scheiterten.

Instabiles Bild

Die Koalition, an deren Spitze statt Wilders der parteilose frühere Spitzenbeamte Dick Schoof steht, gibt unterdessen ein instabiles und wenig kongruentes Bild ab. Marjolein Faber, als Asyl- und Migrations-Ministerin für die Wilders-Partei die zentrale Figur des Kabinetts, fällt vor allem durch markige Worte und Symbolpolitik auf. Ansonsten wirkt sie jedoch unbeholfen und bringt regelmäßig die Opposition gegen sich auf. Inzwischen sinken auch die Umfragewerte der PVV, was die drohende Rhetorik Wilders’ gegenüber den anderen Mitgliedern der Koalition erklärt.

„Die Grenze ist erreicht“, polterte er im Pressezentrum und kündigte einen Kurswechsel seiner Partei an, die sich bislang „sehr redlich und sehr geduldig“ gezeigt habe. „Ab heute zieht die PVV die Samthandschuhe aus.“

Wilders klagte auch über „die schrecklichen Asylheime, die wie Pilze aus dem Boden schießen“– ein Hinweis in Richtung der heftigen Proteste, die in diesem Frühjahr in mehreren niederländischen Gemeinden gegen solche Unterkünfte aufflammten und die die PVV seit Jahren aktiv schürt. Sollte sich die Lage in den nächsten Wochen nicht ändern, so Wilders, „sind wir weg“.

Von den Koalitionsparteien gab es zunächst keine Reaktionen auf den Vorstoß, der am Dienstagmorgen Thema der regulären Gesprächsrunde der vier Vorsitzenden sein dürfte. Rob Jetten, Chef der linksliberalen Oppositionspartei D66, kommentierte, Wilders führe eine „politische Show“ auf, die ihm selbst nutzen solle, aber das Land nicht weiterbringe.

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3 Kommentare

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  • Das ist natürlich heiße Luft, weil auch in den Niederlanden gar nicht eine große Welle an Migranten eingewandert ist, bzw. Asylanträge gestellt hat. Geert Wilders kämpft jetzt einfach mit der realen Politik in einem Rechtsstaat: Man kann nicht einfach alle zurückschicken oder zu Verwandten zwingen. Das weiß Wilders natürlich, aber es ist ihm egal. Er will ja gar keine Nachdenkllichkeit, sondern er will die Bevölkerung emotional erreichen und aufwiegeln, Stimmung machen, darum geht es. Und das ist reine Ablenkung, weil das Thema Asyl/Migration sich in der Realpolitik nicht so einfach steuern lässt, wie Wilders es will. Und es ist schon lustig, wenn Wilders ausgerechnet Deutschland als Beispiel für harte Rückführungen anführt, angeblich sind wir ja zu soft, jedenfalls tut die AfD so.

  • Tja, wer hätte das gedacht, dass Rechtsextremisten andere Parteien erpressen, wenn diese so dumm waren, mit denen zu korrumpieren.

  • Show... Ja. Wie auch die deutschen Grenzkontrollen Show sind.

    Nur: man sieht worin die Show mündet. Man versucht sich gegenseitig zu überbieten. Nur eine Frage der Zeit, bis Schengen Geschichte ist. Und dann noch ein bisschen später erkennen wir Europa nicht mehr.