Asyldebatte, Biden, Spendengala: Befeuern, begnadigen, berechnen
Ein höllisches Regime, UnitedHealthcare und die RAF, Fußball-WM in Saudi-Arabien und eine Begnadigung für Trump. Dazu Mathe mit Merz und Markus.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Die komatöse Ampel erhöht das Kindergeld, meistert ein heikles Bahnprojekt und senkt die Steuern.
taz: Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: Der Satz „War ja nicht alles schlecht damals“.
taz: Während Syrer_innen den Regimesturz Assads feierten, sprechen manche Deutsche schon von Rückführungen ins Land. Wie unmenschlich kann die Asyldebatte noch werden?
Küppersbusch: Noch bizarrer ist der allseitige Jubel über den endlichen Sturz des Assad-Regimes, das nochmal in höllischster Schwärze rhetorisch auskoloriert wird: Folter, Mord, Giftgas. Halt das, wohin man gestern noch Flüchtlinge abschieben wollte.
taz: Luigi Mangione soll den UnitedHealthcare CEO Brian Thompson erschossen haben. Darf man sich über Mord an fiesen Millionären freuen?
Küppersbusch: Wenn man sich das Leben gründlich versauen möchte, ist das eine gute Idee. 2001 outete sich hier in der taz der „Göttinger Mescalero“. Der verwegene „Stadtindianer“ zieh sich selbst militanter Spießbürgerlichkeit und erzählte, wie er 1977 den RAF-Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback kommentierte. Der Weg zu einer „Gesellschaft ohne Terror und Gewalt“ könne „nicht mit Leichen gepflastert werden“. Auch, und jetzt festhalten, wenn er „eine klammheimliche Freude nicht verhehlen“ könne. Die Wendung explodierte in den „Deutschen Herbst“ und trug entscheidend dazu bei, der Linken die „Gewaltfrage“ produktiv um die Ohren zu hauen. Die US-Gesellschaft hat nun eine dramatischere Einladung zum Nachdenken bekommen. Scheint aber gerade keine Zeit zu haben.
taz: In Bayern wurde die Abtreibung per Telemedizin verboten – also die Abtreibungspille zu Hause mit Ärzt_in am Telefon einzunehmen. Wird Bayern nun endgültig zum Texas Deutschlands?
Küppersbusch: Markus Söder richtet seine Politik mehr an den Lederhosentaliban von Hubert Aiwanger aus als an dem, was gesellschaftlich Stand der Debatte ist. Das zeigt sich hier wie auch an dem Wettbewerb im Grüne-doof-finden, den er mit den Freien Wählern ausficht – und mit dem er Kanzlerkandidat Merz verbeult. Es fällt schwer, sich darüber zu freuen.
taz: Die Fifa vergibt die Fußball-WM 2034 an Saudi-Arabien. Darf man die gucken oder sollte man boykottieren?
Küppersbusch: Na und? Saudi-Arabien arbeitet beim Fußball eng mit der Fifa zusammen, und die boykottiert auch niemand. Der DFB stimmte zu, um „nicht isoliert“ zu werden – und isoliert so den Norwegischen Fußballverband, der stur gegen die Vergabe stimmte: Geht doch. Wir können einen Geldpreis ausloben für Sportreporter: Wer traut sich, bei der WM 2034 zu kommentieren: „Der Favorit hat aus dem Gegner Hackfleisch gemacht.“ Nennen wir es die Kashoggi-Challenge. Das lausige Spiel der „Mannschaft“ 22 in Katar warb bereits fürs Weggucken, war gar nicht schwer. Eine Chance bleibt: Saudi-Arabien wird bis dahin demokratisch. Jedenfalls eher als die Fifa.
taz: Nach Söhnchen Hunter begnadigt Joe Biden an einem Tag 1.500 Amerikaner_innen oder setzt das Strafmaß herab. Ein Rekord. Wem würden Sie eine Last-Minute-Begnadigung aussprechen?
Küppersbusch: Donald Trump. Nach US-Recht wäre die Annahme einer Begnadigung ein Schuldeingeständnis, und dann wäre das mal geklärt.
taz: Beim Borkumer Klaasohm-Fest soll zukünftig auf das Schlagen von Frauen verzichtet werden. Verlangen Frauen einfach zu viel?
Küppersbusch: Die Prügelstrafe wurde an deutschen Schulen 1973 verboten, der unterzeichnende damalige Sechstklässler kann das bestätigen. Außer in Bayern, wo man zehn Jahre länger auf SchülerInnen einschlug. Dazu würde man den zehn Jahre so beschulten Markus Söder gern hören. Wenn man „hat mir auch nicht geschadet“ in seinem Fall für ein Argument hielte. So klar, wie man heute sieht: Das war keine schützenswerte Folklore – so absurd muten die Debatten von damals inzwischen an. Wer sich nun unterprügelt fühlt, wendet sich an Stefan Raab.
taz: Bei der „Ein Herz für Kinder“-Gala spendeten Markus Söder und Christian Lindner je 2.000 Euro, Friedrich Merz sogar 4.000. Welchem dieser Philanthropen sollte man ein Denkmal erbauen?
Küppersbusch: Merz knüpfte seine milde Gabe an eine höllenkomplizierte Berechnung längs seiner Wahlumfragewerte, was vor allem aussagt: Ein paar Tausend Euro sind in seiner Welt eine Größe, mit der man durchaus mal Spökes macht. Was zu beweisen war. Ist offenbar ein Investigativformat.
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Vor ein paar Wochen habe ich an dieser Stelle geweisssagt, weissgesagt, oder eben rotweissgesagt: Wenn alle anderen inkompetent sind, können sie immer noch den Trainer feuern. Erledigt.
Fragen: Valérie Catil
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