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Astronauten auf der ISSGestrandet im All

Kommentar von Julia Schöpfer

Seit Juni warten zwei Astronauten darauf, von der ISS abgeholt zu werden. Wollen sie überhaupt zurück auf die Erde? Einiges spricht dagegen.

Reparaturarbeiten an der ISS Foto: nasa/ap/dpa

U nnahbar wirkt die Erdkugel vom Fenster des Raumschiffs. Die Heimat ist außer Reichweite und man schwebt gefangen in einer Metallbox durch luftleeren Raum. Das Essen wird knapp, die Technik fällt aus, eventuell streift ein im Labor gezüchtetes Monster durch die Gänge.

Im Weltall gestrandete As­tro­nau­t:in­nen – das Horrorszenario zwischen den Sternen, welches Isolation und menschliches Durchhaltevermögen vermischt, ist im letzten Jahr wahr geworden. Seit Juni 2024 stecken die beiden NASA-Astronaut:innen Suni Williams und Barry Wilmore auf der ISS fest – aus einer kurzen Reise von 8 Tagen wurde ein neunmonatiger Aufenthalt. Technische Probleme ziehen sich dabei über die ganze Reise: Bei dem Hinflug kam es zu Komplikationen mit dem Antriebssystem, Heliumlecks und Triebwerksausfällen.

Die beiden As­tro­nau­t:in­nen konnten nach Verspätungen sicher an Bord der ISS landen – nur fürs Zurückfliegen war es für die „Starliner“-Raumkapsel zu viel. Die Kapsel vom US-Luftfahrtkonzern Boeing, berühmt-berüchtigt für seine technische Unzuverlässigkeit, war seit seiner Geburt geplagt von Pannen – technische Unzulänglichkeiten bei der Inbetriebnahme, Heliumlecks und nicht funktionierende Triebwerke waren schon bei unbemannten Fahrten ein Problem. Die NASA entschied, dass die Raumkapsel ein zu großes Sicherheitsrisiko darstellen würde, und ließ es allein zur Erde fliegen.

Dass jetzt Boeings Konkurrent SpaceX die großen Retter sein sollten, birgt neuerdings auch keine Hoffnung. Denn die Dragon-Raumkapsel von SpaceX ist ebenfalls fehlerhaft – der Start am Mittwochabend, dem 13.03., wurde verschoben, weil es Probleme beim Hydrauliksystem gab.

Horrorszenarios auf der Erde

Technik, die begeistert. Wollen die Astronauten überhaupt zurück auf die Erde, die gerade nur Schrott produziert? Mit einer SpaceX-Rakete nach Hause fliegen, um Trumps Größenwahnsinnigkeit hautnah miterleben zu können? Ein Grund, nicht zurück zu wollen: Trump. Ein Faschist, Sexist und Rassist, der weder lesen kann noch die Pressefreiheit versteht.

Der zweite Grund: Der Faschismus ist da und regiert die Welt. Überall auf der Welt erhalten Rechte mehr Zuspruch. Nicht nur in den USA wird das Land von einem rechten Präsidenten vor die Wand gefahren, auch in Europa sind wir vom Rechtsruck umgeben. In Ungarn, Italien und den Niederlanden regiert rechts und auch die deutsche AfD ist auf dem Siegeszug. Da würden gleich ganz viele Personen lieber im All verschwinden, als mit anzusehen, wie ihre Rechte unter dem Rechtsruck der Welt verschwinden.

Dritter Grund: Der Klimawandel ist weder zu stoppen noch aufzuhalten. Bremsen werden wir ihn auch nicht, wenn man sieht, dass Wis­sen­schaft­le­r:in­nen ignoriert und Maßnahmen ausgebremst werden und viele Länder weiter an fossilen Brennstoffen festhalten.

Vierter Grund: Milliardäre. Die Rechen werden reicher und verlieren damit ihren Realitätsbezug: Hier wird fröhlich mit dem Privatjet in unter einer Minute von A nach B geflogen, weil eine 15-minütige Autofahrt wahrlich undenklich wäre.

Der fünfte Grund: Trump und Putin, die die Ukraine untereinander aufteilen wollen.

Der sechste Grund: 28 internationale Konflikte, unter anderem der blutige Krieg im Kongo, der russische Angriffskrieg in der Ukraine und der Genozid der palästinischen Bevölkerung.

Siebter Grund: Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung. Für die Fast Fashion Industrie, Plantagenwirtschaft und der Rohstoffabbau für elektronische Produkte wird die Umwelt dem Erdboden gleich gemacht, giftige Stoffe in Flüssen entsorgt und Personen in unmenschlichen Verhältnissen zum Arbeiten gezwungen.

Achter Grund: die Pressefreiheit, die unter anderem in der USA auf der Abschussliste steht. So werden Trump-nahe, verschwörungsideologische Plattformen und rechte Medienhäuser ins Oval Office mit herzlichen Umarmungen eingeladen. Alle anderen müssen vor der Tür bleiben.

Neunter Grund: die Inflation. Während ich im Supermarkt stehe und überlege, ob ich Butter oder Olivenöl wirklich brauche, werden in den USA Eier zu Luxusware.

Zehnter Grund: Bildung ist entweder unerreichbar oder wird als „woker Wahnsinn“ verteufelt.

Elfter Grund: das Patriarchat. Der Vater von allem schlechten.

Zwölfter Grund: die zugrunde gehende Gesundheitsversorgung. Entweder fehlt sie komplett oder man muss Unmengen dafür zahlen. Fehlendes Verständnis, fehlende Therapieplätze, fehlende Grundversorgung.

Dreizehnter Grund: Mieten. Warum muss ich dafür zahlen, eine Grundversorgung zu bekommen?

Vielleicht ist wahrlich das größere Horrorszenario nicht im All verloren zu sein, sondern auf der Erde. Gestrandet im Weltall – hört sich eigentlich gar nicht so schlimm an.

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schreibt für tazzwei / Medien, studiert Soziologie und Medienwissenschaft und interessiert sich für internationale Literatur, Filme & Popkultur.
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10 Kommentare

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  • Pardon: die Strahlung da oben ist nicht wirklich gesund, dass man den Major Tom machen müsste oder sollte. Die Erde ist unser einziges Refugium.



    Statt Eskapismus oder Nur-Klage mit Energie anpacken - genug zu tun gibt es.

    • @Janix:

      Ersteres: Das neben den anderen Gesundheitsgefährdenden Begleiterscheinungen.

      Letzteres: Von Eskapismus in Zwangsoptimismus zu wechseln, stellt nur keine „Sinvolle“ Alternative dar, außer sie wollen depressiv werden bzw. ein Burnout erleiden.

      Aber zu den Astronauten (Stand um 1970) hatte Gil Scott-Heron ein schönes Stück www.youtube.com/watch?v=goh2x_G0ct4 das bleibt leider durchaus aktuell.

  • "Gestrandet", es tut mir leid aber das ist ein Wort das auch Musk oder Trump verwenden würden. Die beiden Astronauten haben sich schon gegen Trumps Behauptung gewehrt sie wären von der Biden Regierung vernachlässigt worden, da muss doch bitte in der taz nicht noch so eine Beschreibung der Situation verwendet werden.



    www.politico.com/n...ed-claims-00204345

    NASA und ESA haben immer Pläne für etwaige technische Probleme und die beiden werden sich sicher nicht dagegen wehren etwas länger auf der ISS arbeiten zu dürfen. Die Rückkehr ist ja schon eingeplant: Man hat schon beim Abflug von SpaceX Crew-9 im September nur zwei statt der geplaneten vier Austronauten hinaufgeschickt um dann eben zwei Plätze für Williams und Wilmore zu haben. Dass man diese Kapsel nicht gleich zurück geschickt hat mit nur den beiden ist eigentlich auch klar, so oft fliegt man ja nicht hinauf und die regulären Austronauten müssen ja erst ihre Missionen erfüllen.

    • @Thomas Koll:

      Verstehe das primär so, das sich die Astronauten sich quasi gegen eine unangemessene politische Instrumentalisierung ausgesprochen haben. Und es ist sicher richtig anzunehmen, das es nur zu einer Verzögerung der „Rückkehr“ kommt.

      Aber Richtig ist auch, da es keine künstliche Schwerkraft gibt, das bei den Astronauten u.a. ja generell zu Muskelrückbildungen (auch Herz) und Knochenschwund kommt, generell ist m.E. nach der Stand der Forschung so, das ein zu langes Ausgesetzt sein, einer Schwerlosen Umgebung gegenüber, als tödlich anzusehen ist.



      Neil deGrasse Tyson, Astrophysiker, hat z.b. den Stand bzgl. einer Marsmission gesagt das diese Stand der Wissenschaft auf 18 Monate zu begrenzen sei, u.a. wegen der Gefährdung der Gesundheit Personen.

      Nur bewertet man die aktuelle Situation der Zwei hier, als unter Kontrolle. Wäre ja auch Fahrlässig nicht auf solch eine Situation vorbereitet zu sein, bzw. dazu ein Szenario zu haben, wie damit umzugehen ist.

      Aber die eskapistische Phantasie der Autorin, welche ihren Reiz hätte, ist halt in keiner Form als Realistisch anzusehen.

  • All dem Wahnsinn kann man auch auf eine einsame Insel entfliehen.

  • Schade, ich dachte es ginge wirklich um Astronauten.



    Gibt es wirklich Flüge die unter eine Minute dauern? Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.

    • @Jesus:

      Naja, praktibel ist da vielleicht nur ein Helikopter, da gibt es welche mit Jetantrieb und Spitzengeschwindigkeit von 463 km/h, also immerhin 7 Kilometer in der Minute. Im Flugzeug, hier allerdings ein Propellerflugzeug, liegt der Rekord des kürzesten Linienflug bei nur 53 Sekunden: Von Westray nach Papa Westray

    • @Jesus:

      Tja, so kann man sich täuschen.



      Man weiss noch nicht einmal, ob die Astronautinnen nicht vielleicht sogar wegen Trump zurückkehren möchten.



      Und neben dem ganzen Weltschmerz, die Punkte 9, 10, 11 und 12, ich möchte alles, aber ich möchte nichts zahlen.

      • @fly:

        Es gibt ein Unterschied zwischen „nicht wollen“ und „nicht können“.



        Außerdem gibt es auch noch ein wichtigeres „nicht sollten“.

        Im Moment haben Reiche und Großkonzerne alles, zerstören den Planeten und zahlen gar nichts - die Allgemeinheit zahlt den Preis schon lange dafür.

    • @Jesus:

      Da dürfte so etwas wie Hubschrauberflüge z.b. zwischen „Gated communitys“ gemeint sein, oder vergleichbares. Aber so extrem kurze Flüge dürften da auch eher selten sein.

      Das läuft quasi per Lufttaxiunternehmen, ich meine z.b. in Dubai gibt es so etwas.