Arzt aus Nepal über Erdbebenfolgen: „Uns gehen die Medikamente aus“
Doktor Ram Shrestha beschreibt die Situation im völlig überforderten Hospital von Khulikhel. Dort ist selbst auf dem Fußboden kein Platz mehr für die Patienten.
taz: Herr Shrestha, wie ist die Situation in Ihrem Krankenhaus?
Ram Shrestha: Dramatisch. Es gibt so viele Verletzte. Der Platz vor unserem Krankenhaus ist voll und dauernd kommen neue Patienten. Ihre Familien bringen sie her, auf Tragen, auf dem Rücken oder auf Eseln. Es ist unglaublich. Auf so eine Situation waren wir nicht vorbereitet.
Wie haben Sie darauf reagiert?
In unserem Krankenhaus läuft inzwischen alles auf Notfallbetrieb. Unsere regulären Behandlungen haben wir alle gestoppt. Alles läuft nach dem Motto: schlimmste Notfälle zuerst. Seit Samstag arbeiten unsere Ärzte Tag und Nacht. Wir haben einen Schichtplan ausgearbeitet, damit wir so viele Menschen wie möglich behandeln können.
Wie viele Menschen kommen zu Ihnen?
Ich kann sie kaum zählen. Es sind sehr, sehr viele. Einen genauen Überblick habe ich nicht. Aber unsere Betten sind vollkommen überfüllt. Inzwischen behandeln wir die Menschen auch draußen vor dem Krankenhaus. Innen haben wir selbst auf dem Boden keinen Platz mehr. Überall liegen Verletzte.
Doktor Ram Shrestha ist Gründer und Leiter eines Krankenhauses in Dhulikhel, einer 14.000-Einwohner-Bergstadt ungefähr 30 Kilometer von Kathmandu entfernt. Es ist die einzige ärztliche Einrichtung im Umkreis von mehreren Kilometern.
Wie lange können Sie noch so weitermachen?
Nicht mehr lange. Es fehlt an allem. Uns gehen Verbandsmaterial und Medikamente aus. Wir brauchen dringend Spritzen, Desinfektionsmittel, Verbände. Aber nicht nur medizinische Dinge, sondern auch Betten, Zelte und warme Decken. Viele Patienten haben Angst vor Nachbeben. Deshalb wollen sie lieber draußen liegen bleiben als im Krankenhaus. Doch hier in Dhulikhel regnet es viel und nachts wird es ziemlich kalt.
Gibt es immer noch Nachbeben?
Ja, jeden Tag. Allein heute waren es bislang sechs oder sieben Erschütterungen. Zum Glück sind die Beben aber nicht mehr so stark wie zuvor.
Was sind die häufigsten Beschwerden ihrer Patienten?
Die Menschen haben gebrochene Beine, Arme. Manche auch einen gebrochenen Schädel. Dann muss alles sehr schnell gehen. Leider schaffen wir es nicht immer. Bei manchen kommt jede Hilfe zu spät.
Wie geht es Ihnen dabei?
Ich bin vor allem sehr traurig und auch ein bisschen erschöpft. Aber dafür haben wir jetzt keine Zeit. Meine Kollegen und ich sind rund um die Uhr im Krankenhaus und arbeiten. Viele unserer Mitarbeiter zelten derzeit in der Nähe unseres Hauptgebäudes. Wir wollen alle helfen. Aber viele Ärzte bleiben auch deshalb hier, weil ihr Zuhause nicht mehr steht.
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