Artenschutz in Dänemark und Norwegen: Politik mit Wölfen
Die erste Wölfin seit Menschengedenken wird in Dänemark bejubelt. Norwegen streitet derweil erbittert darüber, wieviel Raubtier sein darf.
Obwohl es inzwischen bereits ein paar Tiere mehr nach Dänemark geschafft haben, war der Jubel von Naturschützern zuletzt noch einmal groß. Waren bis dato ausschließlich männliche Wölfe nachgewiesen worden, fanden die Experten im Mai Kotspuren einer Wölfin – noch dazu einer schwangeren. DNA-Proben ergaben, dass sie aus einem Rudel südlich von Berlin eingewandert war. Als Anfang Juli die ersten Kamerabilder gleich acht Welpen zeigten, brach in vielen Medien Wolfsfieber aus.
Wolfsforscher Peter Sunde erklärte die Tiere gleich für ungefährlich, auch wenn sie etwas „rockerhaft“ aufträten: „Die machen da nur einen Ausflug.“ Von einem „großen Gewinn für die dänische Natur“, schwärmt Thomas Secher Jensen vom Aarhuser Museum: „Der Wolf kann eine positive Wirkung für das gesamte Ökosystem haben.“
Von so freundlicher Aufnahme können die Artgenossen der dänischen Wölfe einige Hundert Kilometer weiter nördlich nur träumen. „Wir müssen den Kampf intensivieren“, verkündete da Ende Juni der extra in das nördlich von Oslo liegende Gran gereiste norwegische Landwirtschaftsminister Jon Georg Dale. Er versprach Landwirten: „Wir werden alles tun, damit der Wolf hier verschwindet.“ Der hatte binnen weniger Wochen 120 Schafe gerissen. Und Kotproben deuteten darauf hin, dass anscheinend eine einzige Wölfin am Werk war.
Der Wolf als Wahlkampfthema
„Alles“ bedeutete, dass man in Aussicht stellte, die Wolfsjagd vom Hubschrauber aus zu genehmigen. Aber erst einmal sollten es Hunde schaffen, aus Schweden ausgeliehene Plott-Hounds, die dort zur Wolfsjagd ausgebildet, aber noch nicht eingesetzt worden waren. Wölfe so zu jagen war in Norwegen bislang verboten – nicht wegen Tierquälerei, sondern weil unangeleinte Hunde im Wald alle möglichen Tiere aufscheuchen und sogar Schafe anfallen können. „Nun geht man wirklich zu weit“, kritisierte Arnodd Håpnes vom Naturschutzverband Naturvernforbundet. „Das widerspricht allen Jagdgesetzen.“
Umweltstaatssekretär Lars Andreas Lunde sagt, er verstehe die Kritik. „Aber wir sind wirklich in einem Dilemma“, sagt er. Dazu könnte gehören, dass am 11. September in Norwegen gewählt wird. Und der Wolf hat sich zu einem wichtigen Wahlkampfthema entwickelt, auch wenn der Bestand mit rund 60 einheimischen und etwa 30 ab und an aus Schweden herüberwechselnden Wölfen überschaubar ist. Aber wo immer sich Rudel ansiedeln, regt sich erbitterter Widerstand der Landbevölkerung. Man traue sich kaum noch, die Kinder unbeaufsichtigt zur Schule zu lassen, sagte eine Mutter JournalistInnen.
2016 hatten sich die konservativ-rechtspopulistische Regierung und sozialdemokratische Opposition auf eine Wolfsvereinbarung geeinigt, wonach die Zahl der Wölfe deutlich reduziert werden sollte. Allerdings legte sich Umweltminister Vidar Helgesen quer, als eine Parlamentsmehrheit den Abschuss von 47 der 60 Wölfe forderte. Und da der Wolf in Norwegen als gefährdet gilt, wäre das sowohl im Widerstreit mit der Verfassung des Landes als auch mit internationalen Artenschutzabkommen gewesen. Martin Lee Müller, Doktor für ökologische Philosophie an der Universität Oslo, forderte eine „Debatte, die auf Fakten statt auf Gefühlen fußt“. Nur Aufklärung könnte Akzeptanz vermitteln.
Das ist Ketil Skogen vom Umweltforschungsinstitut NINA zu kurz gegriffen. So spielten zum einen auch Interessen von Jägern eine Rolle, die im Wolf eine Konkurrenz sehen. Zum anderen würfen Teile der Bevölkerung Behörden oder Umweltschutzorganisationen vor, ihnen vorzuschreiben, wie sie leben wollen. „Der Wolf ist eine unheimlich große Symbolfrage geworden“, stöhnt der Fraktionsvorsitzende der konservativen Regierungspartei Høyre, Trond Helleland.
Die Spezialjagdhunde mussten nach zwei Wochen Suche unverrichteter Dinge aus Gran abziehen. Die Wölfin hatte sich nicht mehr blicken lassen.
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