Arte-Doku zum 100. Brandt-Geburtstag: Willy Cool, irgendwie
Eine Arte-Doku weist Willy Brandt seinen Platz als 1970er-Jahre-Lifestyle-Ikone im Pop-Art-Style zu. Eine Idee hat der Film aber nicht.
Es ist natürlich nie ein Fehler, einen Film über Willy Brandt zu machen. Und auch am Mittwochabend macht nichts falsch, wer sich auf Arte „Willy Brandt – Erinnerungen an ein Politikerleben“ zu Gemüte führt. Denn der Film von André Schäfer (produziert für WDR und RBB) liefert schöne Bilder und weist Willy Brandt zumindest vorläufig seinen Platz zu – den als 1970er-Jahre Lifestyle-Ikone im Pop-Art-Style in der hippen Retro-Kneipe.
Eine Idee hat der Film nicht: keine von Brandt, keine von der SPD, keine von Politik überhaupt. Die Auswahl der Zeitzeugen wirkt mal zufällig, mal schlicht eindimensional. Keinen einzigen der zahlreichen – und bis zur menschlichen Miesheit erbitterten – Gegner Brandts hat man vor die Kamera gebracht.
Umgekehrt bekommt man von der unbedingt beeindruckenden Jugendfreundin Brandts, Elizabeth Spanjer-Fisher, zwar bestätigt, was man sehen kann: dass nämlich Brandt ein verdammt gut aussehender junger Antifaschist war; aber was er nun eigentlich gemacht hat als Hitlergegner, bleibt ebenso unterbelichtet wie die gesamte Innenpolitik seiner Kanzlerschaft oder seine durchaus problematische Rolle bei der Freilassung der überlebenden Olympia-Attentäter von München 1972 im Austausch gegen deutsche Geiseln.
Dennoch gibt es natürlich gerade in diesen Groko-Zeiten Sätze, die aufhorchen lassen: Sie stammen zumeist von Egon Bahr, der dabei nie vergisst zu zeigen, dass man auch als über Neunzigjähriger noch seine Marlboros rauchen kann. Bahr sagt: „Er hat dem Wahlkampf entgegengefiebert.“ Er sagt: „Das war Charisma. Das war Führung.“
Und er sagt, dass Brandts Kniefall vor dem Ehrenmal des Warschauer Ghettoaufstandes zwar nicht geplant gewesen sei; den Friedensnobelpreis, ergänzt er dann trocken, hätte er ohne diese Geste aber wohl nicht bekommen.
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