Die Wahrheit: Connaisseur des Sprits
In den Hängen von Peak Oil wächst der beste Stoff: Bekenntnisse eines Benzinkenners.
W er ohne Schuld ist, werfe das erste unbeaufsichtigte Gepäckstück, aber in den vergangenen Monaten habe ich im Individualverkehr mehr Meilen gesammelt als jemals zuvor. Es wird mich in den Augen passionierter Pedaleure oder Passagiere der Bahn nicht exkulpieren, aber ich bewege das Vehikel vorzugsweise mit großväterlicher, nachgerade altersstarrer Behäbigkeit prinzipiell unterhalb der jeweils erlaubten Höchstgeschwindigkeit.
Das röhrende Ding ist beinahe 20 Jahre alt und hat knapp 200.000 Kilometer auf dem blechernen Buckel. Es handelt sich um zwei Tonnen grauer Energie, die gern noch ein wenig halten sollte. Je länger, desto besser für die Umwelt.
Weshalb es mir wichtig ist, was ich an den Alten verfüttere. Ich halte nichts vom besinnungslosen Reingluckernlassen an der Tankstelle. Treibstoff ist ein seltenes Gut und sollte mit Respekt behandelt werden, wie guter Wein.
In Deutschland gibt’s meistens Normalbenzin, also Riesling – wenngleich nicht aus heimischem Anbau. Beim Schnuppern an der Zapfsäule merke ich meistens sofort, ob der Sprit aus Russland, Norwegen oder Arabien stammt.
Selten aus Russland
Benzin aus dem Rheingau oder aus Russland ist inzwischen leider selten geworden, kommt mit einer leicht erdigen oder fossilen Note. Arabischen Tröpfchen ist, wenn man nur lange genug daran riecht, eine Note von Mandelöl und Blut beigemischt, skandinavischer Stoff verhält sich eher neutral – ihn erkennt man vor allem an seiner goldgelben Farbe.
Ein Erlebnis ist Super beziehungsweise Super Plus beziehungsweise Montepulciano mit einem Oktangehalt von 95, wie er am italienischen Autogrill vom Sommelier ausgeschenkt wird. Hier entspricht das Benzin einem Cabernet Sauvignon, wie er schon in der Antike von den Phöniziern angebaut wurde. Experten wissen, dass Italien seinen Treibstoff traditionell aus Libyen bezieht, und zwar aus gutem Grund. Saluti!
Paradiesische Zustände herrschen selbstverständlich in Frankreich. Im Burgund habe ich, kurz vor Dijon, einmal ökologisch angebautes Super E 10 getankt, das gewissermaßen ein olfaktorisches Feuerwerk in Reminiszenz an den klassischen Pinot Noir abgefackelt hat. Weiter im Süden, im Hérault und nahe der Cevennen, ist diese Kultur längst untergegangen. Es sieht aus und riecht wie Cabernet Sauvignon oder Merlot, ist aber nur ein liebloser Verschnitt aus kasachischem, nigerianischem und aserbaidschanischem Fusel. Mich hat er zwar berauscht, das Auto aber klingelte danach ganz fürchterlich.
Bleifrei wirkt selten bekömmlich, schmeckt leblos und flach. Super Plus hingegen ist der Château Lafite Rothschild von 1887 unter den Treibstoffen, ein unbezahlbares Elixier für solvente Kenner – wie ich inzwischen einer bin. Diesel kommt mir deshalb nicht ins Haus. Ich trinke schließlich auch kein Bier.
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