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Arne Semsrott verurteiltDas Ziel ist Karlsruhe

Johanna Treblin
Kommentar von Johanna Treblin

Wegen der Veröffentlichung von Gerichtsbeschlüssen wurde ein Journalist verurteilt. Ihm kommt das recht, er möchte das entsprechende Gesetz eh in Karlsruhe kippen.

Hat gut lachen: Frag den Staat-Gründer Arne Semsrott während des Prozesses Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

A rne Semsrott hat sich verurteilen lassen. Er hat wissentlich gegen das Gesetz verstoßen. Weil er es in diesem Fall richtig fand. Und weil er das Gesetz, gegen das er verstoßen hat, für unvereinbar mit der Pressefreiheit hält. Sein Ziel ist Karlsruhe: Das Bundesverfassungsgericht soll den Paragrafen 353d Nummer 3 kippen.

Der verbietet es, amtliche Dokumente aus laufenden Verfahren wortwörtlich zu zitieren oder komplett zu veröffentlichen. Semsrott hatte sich im Falle von drei Gerichtsbeschlüssen zu Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen der Letzten Generation über das Verbot hinweggesetzt.

Dass der Journalist und Gründer der Transparenzplattform Frag den Staat sich dem Verfahren gestellt hat, die Beschlüsse nicht wieder von der Homepage genommen und die Einstellung des Verfahrens abgelehnt hat, ist ein großer Verdienst für die Pressefreiheit. Mit dem Paragrafen zensiert der Gesetzgeber Jour­na­lis­t*in­nen – ohne Nachweis, dass eine Veröffentlichung amtlicher Dokumente tatsächlich Schaden anrichtet, wie Ausführungen einer Professorin für Kommunikationswissenschaften vor Gericht gezeigt haben.

Studien können keinen Schaden nachweisen

Franziska Oehmer-Pedrazzi war als Sachverständige geladen. Sie verwies auf eine sehr dünne Studienlage. Die wenigen Untersuchungen beruhten auf Aussagen von Richtern, ob sie sich von Medienberichten in ihrer Entscheidung beeinflussen ließen. Nur wenige sagten: ja.

Der Gesetzgeber sollte nicht prinzipiell daran zweifeln, dass Jour­na­lis­t*in­nen ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen.

Das wunderte weder Oehmer-Pedrazzi noch den Vorsitzenden Richter im Verfahren gegen Semsrott – müssten Richter andernfalls doch zugeben, dass sie weder so unabhängig noch unparteiisch entscheiden, wie es vorgesehen ist. Eine große Aussagekraft haben die Untersuchungen also nicht. Dennoch konnte sich das Gericht letztlich nicht zu einem Freispruch durchringen.

In dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten, ist das wohl bekannteste Rechtsprinzip und sollte auch hier Anwendung finden. Der Gesetzgeber sollte nicht prinzipiell daran zweifeln, dass Jour­na­lis­t*in­nen ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen, wie sie die Pressegesetze der Länder vorsehen. Wer dagegen verstößt, kann auch ohne 353d Nummer 3 belangt werden. Eine Vorzensur braucht es nicht.

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Johanna Treblin
Redakteurin taz.eins und Themenchefin
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3 Kommentare

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  • Es wäre sinnvoll, auf deutscher Ebene endlich die europäischen Open Data Bestimmungen konsequent umzusetzen. Es ist ja ein Grauen wie viel uns Brüssel voraus hat.

  • Hoffentlich kommt er damit durch! Denn es ist tatsächlich unmöglich, was da vorgeschrieben ist. Es ist als würde man das Autofahren verbieten weil ja etwas passieren könnte.



    Die JournalistInnen müssen sorgfältig arbeiten, um Schaden abzuwenden. Dann können sie veröffentlichen. Wenn sie das nicht korrekt getan haben, kann man sie anklagen. Aber nicht vorverurteilen, wie es jetzt ist.

    • @Jalella:

      Es ist soviel verboten, weil etwas passieren könnte. Waffenbesitz, Fahrradweg falsche Richtung, fahren ohne Führerschein, Medikamente ohne Rezept verkaufen....