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Arme und reiche FamilienTrügerische Distinktionen

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Kinder aus reichen Familien schneiden oft besser ab, weil die Mittel zur Förderung da sind. Für die anderen muss es deshalb kostenlose Angebote geben.

Kein Pipifax: Weniger Geld für Bildung und Kultur bedeutet für Kinder meistens den sozialen Abstieg Foto: dpa

D er Trend ist bedrückend: das bestverdienende Zehntel der Bevölkerung verfügt über immer höhere Einkommen und gibt entsprechend mehr Geld für den Nachwuchs aus, jedenfalls in der Zeitspanne von 2003 bis 2013, die der Paritätische Gesamtverband untersuchte. Beim ärmsten Zehntel hingegen sind die Einkommen preisbereinigt etwas geschrumpft, entsprechend weniger Geld wurde für die „soziale Teilhabe“ der Kinder, also Freizeit, Kultur, Bildung, Reisen, verwendet.

Das ist kein Pipifax, denn Teilhabe, Bildung hat was mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun und nie lernt man so leicht wie in der Kindheit. Das heißt nicht, dass man die Standards der höheren Mittelschicht dazu nicht kritisch beäugen sollte. Sie setzt immer höhere Maßstäbe für eine angeblich weitläufige Persönlichkeitsentwicklung und baut damit auch Distinktionen, also Abgrenzungen nach unten, auf.

Zu diesen Standards gehören privat bezahlte Sprachkurse, teure Auslandsaufenthalte für die Kinder. Wobei übrigens gerne unterschlagen wird, dass etwa Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund schon über ziemlich konkrete Globalisierungserfahrungen verfügen, erst recht, wenn sie Teil einer Fluchtgeschichte sind. Diese Globalisierungserfahrung wird im Lebenslauf-Design hierzulande aber weniger hoch gewertet als ein USA-Aufenthalt des Nachwuchses mit Schulbesuch.

Bitter ist der Verzicht auf Bildung, weil sie später nur mühsam nachgeholt werden kann. Es ist daher richtig, wenn der Paritätische fordert, dass ärmere Familien ihren Nachwuchs gebührenfrei zum Musik- oder Sportunterricht schicken können. Wer Klavier und Noten lernen will, darf davon nicht aus Geldgründen ausgeschlossen werden. Wer sein Englisch verbessern will, sollte die Möglichkeit eines Auslandsaufenthalts während der Schulzeit bekommen.

Nur aufgrund der Finanzausstattung des Elternhauses im späteren Leben bestimmte Bildungsmerkmale aufweisen zu können, das sind übrigens auch trügerische Distinktionen – die eine eigene Leistung vortäuschen, wo es diese so nicht gibt.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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8 Kommentare

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  • Mal ehrlich, mir scheint, dass hier wieder einmal das Sommerloch gefüllt werden muss. Die Unterschiede, die hier zwischen "arm" und "reich" aufgemacht werden, bestehen doch auch zwischen "nicht so ganz arm" und "reich". Ein Lehrersohn wird gegen ein Aufsichtsrats-Töchterchen immer abstinken. Sie wird die besseren Karten bei Ausbildung, Berufswahl usw. haben, allein schon wegen des elterlichen Umgangs in anderen Kreisen. Diese Abgrenzungen gab es in abgeschwächter Form auch im DDR-Sozialismus: der Chefarzt-Sohn hatte die besseren Chancen als die Tochter des Zerspanungsfacharbeiters, nicht zuletzt dank "Vitamin B".



    Kostenloser Musik- und Sportunterricht für alle ist Bestandteil der Stundenpläne der Länder. An vielen Schulen werden darüber hinaus sehr günstig oder kostenlos Nachmittags-Kurse angeboten. Der Paritätische könnte mal seine Stimme erheben gegen die Kürzungen von genau diesen "weichen" Fächern in den Stundentafeln, die vor dem Hintergrund des Lehrermangels als erste hinten runter fallen (Bsp. Sachsen!). Alles darüber hinaus ist im Prinzip Privatsache oder im besseren Fall Sache des Gemeinwesens. Durch gestaffelte Mitgliedsbeiträge übernehmen in vielen Vereinen bereits Mitglieder Verantwortung, Bürgerstiftungen ermöglichen Stipendien für benachteiligte oder/und besonders motivierte Musikschüler. Und wer kümmert sich um die Familien, die gerade so nicht mehr zum Kreis der Begünstigten gehören?

    • @Edward:

      Das habe ich so auch gerade gedacht. Wir gehören im Prinzip zur Mittelschicht, aber dank Ratenzahlungen an die Bank bleibt für die Musikschule trotzdem nicht allzu viel übrig. Und mehr als ein Sportkurs pro Kind ist auch nicht drin...

      • @Cededa Trpimirović:

        Ratenzahlungen für's Eigenheim und PKW?

        Das sind Prioritäten. Es ist einfach unmöglich, wenn Mittelschichtler mit Eigenheim und Urlauben so tun, als wenn sie arm seien. Gerne auch mit dem Beisatz "Wir haben im Monat dann auch nur so viel wie Hartz IV zum Leben".

        Nun ja, Friedrich Merz fühlt sich ja entsprechend auch zur Mittelschicht gehörig. Ihm bleibt nach Abzug der Kosten für sein Privatflugzeug sicher auch nicht mehr als Ihnen vor den Abzügen der Ratenzahlungen.

  • "Das heißt nicht, dass man die Standards der höheren Mittelschicht dazu nicht kritisch beäugen sollte. Sie setzt immer höhere Maßstäbe für eine angeblich weitläufige Persönlichkeitsentwicklung und baut damit auch Distinktionen, also Abgrenzungen nach unten, auf."

    Das hört sich so an, als würde wollte man Eltern vorwerfen, dass sie ihre eigenen Kinder fördern und hierfür auch Geld verwenden. Das kann kaum der richtige Ansatz sein.

    Davon abgesehen ist es richtig darauf zu achten, dass alle Schüler Zugang zu guter Bildung bekommen. Allerdings wird man nie vermeiden können, dass Eltern ihre eigenen Kinder nicht fördern und diese deswegen (möglicherweise) schlechtere Chancen haben. Manchmal (wobei es nicht die Regel sein dürfte) sind solche Kinder - wenn sie selber ein Interesse am lernen und am weiter kommen haben - später wesentlich weiter und besser als die Kinder, die alle auf dem Silbertablett präsentiert bekommen.

  • Bildungsangebote werden nicht allein deshalb genutzt weil sie günstig oder kostenlos sind.



    Es gibt nun mal viele Familien bei denen Bildung keine Priorität hat. Da nützen die besten Angebote nichts.



    In manchen bildungsfernen Schichten wäre schon viel gewonnen wenn überhaupt ein Schulabschluss angestrebt wäre und eine Berufsausbildung. Von Klavierunterricht braucht man da gar nicht reden.

    • @Poseidon:

      Es gibt allerdings auch finanzschwache Familien, die nicht "bildungsfern" sind.

      Und die Familien, die sog. "bildungsfern" sind, kommen im Laufe der Generationen und Zeit sicher auch eher zu "Bildung", wenn diese nicht teuer ist.

      Und btw: Manch einer ohne Schulabschluss ist ein begnadeter Musiker.

      Klar, Schul- und Ausbildungsabschlüsse sind sehr wichtig, aber um die geht es hier in dem Beitrag nicht.

  • Nicht alle Kinder aus „besseren“ Familien haben Klavier-, Reit- oder Tennisunterricht. Auch die Mittelschicht will sich das oft nicht leisten. Das kostenlose Angebot der Schulen ist für alle wichtig und muss ausreichend dimensioniert sein. Zusätzliche Förderung ist nur in Ausnahmefällen sinnvoll. Hobbys darf jeder frei wählen ...