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Argentiniens SchuldenkriseDie Angst vor dem Bankrott

Argentinien darf seinen IWF-Kredit später zurückzahlen – die Zahlungsunfähigkeit soll so abgewendet werden. Doch Entscheidendes ist noch ungeklärt.

Das Parlament hat die Verantwortung für Reformen jetzt an die Regierung gegeben Foto: Gustavo Sánchez on Unsplash

Buenos Aires taz | Argentiniens Abgeordnetenhaus stimmt für die Schuldenneuregelung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Am frühen Freitagmorgen votierten 202 Abgeordnete dafür, 37 Abgeordnete stimmten dagegen, 13 enthielten sich. Mit der Neuregelung soll eine Zahlungsunfähigkeit des Landes abgewendet werden. Die Entscheidung des Senats steht noch aus.

Vor dem Kongressgebäude hatten linke Parteien und Gruppierungen gegen den IWF demonstriert. Dabei kam es zu kurzen, aber heftigen Auseinandersetzungen zwischen einer kleinen Gruppe Demonstrierender und den Polizeieinheiten. Steine flogen, Autoreifen brannten, die Polizei antwortete mit Gummigeschossen. Mehrere Personen wurden vorübergehend festgenommen, mindestens acht verletzt.

Argentinien ist der größte IWF-Schuldner. 2018 gewährte der Fonds der damaligen Regierung von Präsident Mauricio Macri einen Kredit in Höhe von 57 Milliarden Dollar, von denen 44,5 Milliarden ausgezahlt wurden. Davon müssten in diesem Jahr rund 19 Milliarden Dollar getilgt werden. Am 22. März wäre eine Rate über 2,8 Milliarden Dollar fällig. Angesichts der klammen Reserven der Zentralbank ist das nicht zu stemmen. Es droht die erneute Staatspleite.

Die Neuregelung ist jedoch nichts anderes als eine Refinanzierung des Kredits von 2018. Eine Schuldenreduzierung ist nach den IWF-Statuten ausgeschlossen. Deshalb werden die 44,5 Milliarden Dollar in den kommenden zweieinhalb Jahren vom IWF selbst via Buenos Aires getilgt. Argentinien erhält eine bereits getilgte Kapitalsumme in Höhe von 4,5 Milliarden Dollar zurück, die als Zentralbankreserve verbucht oder im laufenden Haushalt eingesetzt werden kann. Erst ab 2026 muss Argentinien mit der tatsächlichen Rückzahlung der Verbindlichkeiten beginnen.

Die breite Zustimmung des Parlaments auch von Seiten der Opposition ist allerdings nicht mehr als eine Einigung auf den allerkleinsten Nenner: die Vermeidung eines Zahlungsausfalls. Um überhaupt eine Mehrheit zu bekommen, musste die Regierung in letzter Minute einen Kompromissvorschlag einreichen. Statt das gesamte Stand-by-Abkommen stellte sie lediglich die allgemeine Refinanzierung zur Abstimmung. Die dazugehörigen wirtschaftlichen und technischen Memoranden wurden ausgeklammert.

Die insgesamt zehn Überweisungen des Fonds an sich selbst sind an vierteljährliche Inspektionen gebunden. Mit ihnen will der Fonds sicherstellen, dass sich die Regierung in Buenos Aires an die vereinbarten Vorgaben hält, was die linke Abgeordnete Myriam Bregman als IWF-Co-Regierung kritisierte.

Ungeklärte Fragen

Überprüft werden soll in erster Linie der Abbau des Haushaltsdefizits, das im laufenden Jahr auf 2,5 Prozent begrenzt, und bis 2025 schrittweise auf eine schwarze Null reduziert werden soll. Ob jedoch die dafür vorgesehene Reduzierung der staatlichen Energiebeihilfen durchgeführt wird, ist nach dieser offensichtlich halbierten Zustimmung der Abgeordneten offen.

Seit über einem Jahrzehnt werden die Strom- und Gastarife subventioniert. Während die Kon­su­men­t*in­nen geringe Preise zahlen, müssen für die staatlichen Zuschüsse immer aberwitzigere Summen aufgebracht werden. Ab Juni sollen die Subventionen für die zehn Prozent einkommensstarken Strom- und Gas­ver­brau­che­r*in­nen gestrichen werden. Der große Rest soll in zwei Gruppen aufgeteilt, bei denen die Beihilfen sozialverträglich zurückgeführt werden sollen.

Wie eine Anhebung der Tarife mit der ebenfalls vereinbarten Senkung der Inflation einhergehen soll, ist ohnehin rätselhaft. Trotz der herabsubventionierten Strom- und Gastarifen liegt die Inflationsrate seit Jahren im zweistelligen Bereich. 2021 betrug sie 51 Prozent. Für das laufende Jahr sagen die Prognosen eine noch höhere Rate voraus, und dies ohne die aktuell in die Höhe schießenden Energiepreise berücksichtigt zu haben.

Zwar ist der parlamentarischen Verantwortung damit Genüge getan, doch mit dieser Abstimmung obliegt die Umsetzung der vereinbarten wirtschaftlichen Vorgaben und finanziellen Maßnahmen allein der Regierung. Im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr wollte keines der politischen Lager dafür verantwortlich gemacht werden.

Die Zweifel am zukünftigen Schuldendienst sind denn auch nicht weniger geworden. Zumal die 44,5 Milliarden Dollar des IWF gerade einmal zwölf Prozent der gesamten argentinischen Staatsverschuldung ausmachen. Spätestens in drei Jahren, so der Tenor der Kritik von ganz links bis neoliberal, werde Argentinien wieder auf der IWF-Matte stehen und um eine erneute Schuldenneuregelung bitten.

Allerdings konnte die Regierung einige Neuerungen durchsetzen, die auch international aufmerksam registriert werden. So verlangt der IWF erstmals keine Renten- oder Arbeitsrechtsreform. Zudem muss Argentinien erst 2025 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Bisher hatte der IWF stets innerhalb von zwei Jahren darauf bestanden. Ebenso wurde die Laufzeit der Tilgungen von den maximal möglichen zehn auf tatsächlich zwölf Jahre ausgedehnt. Andere IWF-Schuldnerländer, wie beispielsweise Ecuador, Kenia oder Gabun, mussten in den vergangenen zwei Jahren ihren Schuldenneuregelungen ohne diese Zugeständnisse zustimmen.

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