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Argentiniens Präsident vor dem KongressWuttirade als Debütrede

Javier Milei ist noch nicht über das Scheitern seines Gesetzespakets im Parlament hinweg. Seinem Ärger machte er dort zu Beginn der Legislaturperiode Luft.

Die Politik des Populisten Milei stößt nicht überall in Argentinien auf Gegenliebe Foto: Rodrigo Abd/dpa

BUENOS AIRES taz | Argentiniens libertärer Präsident Javier Milei hat die Legislaturperiode des neu gewählten Kongresses mit einer düsteren Bestandsaufnahme eröffnet. „Die letzten 20 Jahre waren ein wirtschaftliches Desaster, eine Orgie öffentlicher Ausgaben und unkontrollierter Geldemissionen, die zum schlimmsten Erbe geführt haben, das eine Regierung in der argentinischen Geschichte je antreten musste“, erklärte Milei.

Traditionell beginnt die Legislaturperiode am 1. März und wird gemäß der Verfassung vom Präsident eingeläutet. In seiner Rede vor dem gemeinsamen Plenum von Abgeordnetenhaus und Senat gibt der Präsident einen Bericht zur Lage der Nation ab und benennt seine Regierungsvorhaben. Eine Aussprache darüber findet nicht statt.

Mileis erste Rede im Kongress war mit Spannung erwartet worden, hatte er das Repräsentantenhaus doch erst vor wenigen Tagen als „Rattennest“ bezeichnet. Statt wie üblich um 12 Uhr mittags hatte Milei den Zeitpunkt seines Auftritts auf 21 Uhr verlegt. Begründung: Die Öffentlichkeit sollte live dabei sein können.

Linke Parteien und Basisorganisationen hatten sich schon früh mit Fahnen, Trommeln und Protestplakaten auf dem Platz vor dem Kongressgebäude versammelt, das rundherum abgesperrt war. Abgesehen von einigen Handgemengen zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidenten verliefen die Proteste friedlich.

Die Demonstrierenden sorgten auf dem Platz jedoch für eine völlig andere Stimmung als jene, die bei der Vereidigung von Milei im Kongress am 10. Dezember geherrscht hatte. In Erinnerung geblieben ist, wie er nach seiner Vereidigung im Kongress auf dem Absatz kehrtmachte und seine Rede draußen auf den Stufen des Gebäudes vor einer fahnenschwenkenden und jubelnden Menge hielt.

Scharf kritisierte Milei am Freitagabend die Vorgängerregierungen. „Der Populismus der letzten Jahre hat uns 90 Prozent unseres Einkommens geraubt.“ Dagegen warb der 53-Jährige für seine rigorose Sparpolitik. „Zum ersten Mal in der Geschichte bekämpfen wir die Ursache des Problems – das Haushaltsdefizit – und nicht seine Symptome. Deshalb bitte ich um Geduld und Vertrauen.“

Vor allem der Kaufkraftverlust der Einkommen macht den Menschen zu schaffen. Rund die Hälfte der lohnabhängigen Bevölkerung schafft es nur noch knapp über die Armutsgrenze. Gemäß einer Mitte Februar vom renommierten Sozialobservatorium der Katholischen Universität in Buenos Aires veröffentlichten Studie lagen 57 Prozent der 46 Millionen Ar­gen­ti­nie­r*in­nen unterhalb der Armutsgrenze.

Im Januar war die jährliche Inflationsrate auf 254,2 Prozent gestiegen. Allein im ersten Monat des Jahres hatten die Preise um 20,6 Prozent zugelegt, wie die nationale Statistikbehörde Indec bekanntgab. Dennoch lag die Teuerungsrate damit noch unter den im Dezember verzeichneten 25,5 Prozent. Es bleibt abzuwarten, ob dies der lang ersehnte Abwärtstrend ist. Für Februar wird auf jeden Fall mit einem Wert von unter 20 Prozent gerechnet.

Wie erwartet sparte der libertäre Präsident nicht mit Kritik an den Parlamentarier*innen, die erst vor wenigen Wochen ein von ihm vorgelegtes Mega-Gesetz scheitern ließen. Mangels parlamentarischem Rückhalt schlug Milei einen neuen Sozialpakt vor, der von der Regierung und den 24 Provinzgouverneuren ausgearbeitet und am argentinischen Nationalfeiertag am 25. Mai unterzeichnet werden soll.

Ob dies gelingt, ist mehr als fraglich, zumal der Präsident bereits zehn nicht verhandelbare Punkte vorgegeben hat, darunter die Unverletzlichkeit des Privateigentums, einen ausgeglichenen Staatshaushalt und drastische Einsparungen der öffentlichen Ausgaben, so soll die Staatsquote soll auf 25 Prozent des BIP reduziert werden.

Wozu letzteres führt, hatte gerade Argentiniens größte Bauarbeitergewerkschaft Uocra kritisiert, die den Präsidenten für den Verlust von 50.000 direkten und mehr als 100.000 indirekten Arbeitsplätzen in den letzten zwei Monaten verantwortlich macht. Als Grund für den Jobabbau nennt die Gewerkschaft die von Milei gestoppten öffentlichen Investitionsmaßnahmen.

Aber auch bei den Unternehmen herrscht Alarmstimmung. Die Kammer der Bauwirtschaft hatte bereits Anfang Januar den landesweiten Notstand ausgerufen und vor den drohenden Folgen für ihre 1.400 Mitgliedsunternehmen gewarnt. „Wenn die derzeitige ernste Situation anhält, wird sie irreversible Auswirkungen auf den Sektor im Besonderen und die Wirtschaft im Allgemeinen haben“, hieß es damals. Rund 200.000 Arbeitsplätze seien in Gefahr.

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7 Kommentare

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  • Wenn solche pubertären Typen zum Präsident gewählt werden, fragt man sich doch, ob seine Wähler noch alle Latten am Zaun haben?



    Das Bild vom "mündigen Bürger" ist angesichts der Macht der Propaganda wohl nur eine Illusion.

  • Während Mileis extremer Liberalismus sicher keine Lösung ist, müssen sich die letzten Regierungen UND die Wähler in Argentinien fragen lassen, ob sie ernsthaft der Meinung sind, dass ein „weiter so“ ernsthaft eine Lösung sein kann. Spoiler: sie ist es nicht!

    Argentinien ist ein abschreckendes Beispiel dafür, wohin der der Weg von Hubertus Heil und Teilen der SPD führt. Immer mehr Sozialleistungen mit der Giesskanne führen irgendwann in den Ruin.

  • Im Artikel ist ein kleiner Fehler. Es sollen nicht 25% des BIP eingespart werden, sondern die Staatsquote soll auf 25% des BIP heruntergefahren werden.

    2022 lag diese bei 37% (zum Vergleich Deutschland: 49%). Wenn man für 2023 einen ähnlichen Wert annimmt, wären es also nach den ersten Sparmaßnahmen, die 5 Prozentpunkte ausmachten, noch 7 Prozentpunkte mehr.

    Mit 25% Staatsquote läge Argentinien sogar in Südamerika noch im unteren Bereich, unter Chile (26%) und etwas über Peru und Paraguay (23%) und deutlich über Schlusslicht Venezuela (11%).

    Chile kann man als Vorbild Mileis betrachten. Es wird zwar oft als "Musterländle" Südamerikas dargestellt, krankt aber an einer extrem hohen Ungleichheit. Sieht man sogar als Tourist: Chilenische Städte wirken auf den ersten Blick wesentlich ärmer als argentinische.

    • @argie:

      Danke für den Fehlerhinweis. Die Reduzierung der Staatsquote wurde eingefügt.

  • Es ist immer dasselbe Spiel, sind die Linken an der Macht und sind unfähig einen stabilen Staat zu errichten kommen danach die Rechten die auch nichts zustande bringen.



    In Südamerika gibt es genug Beispiele dafür.

  • Es mag sich jeder selbst überlegen wie er entscheiden würde, hätte er die Wahl zwischen Milei und der rosa Protestantin.

    • @Frank Naumann:

      woher wissen Sie, dass es eine Protestantin und keine Katholikin ist?