3.000 ANSCHLÄGE AUF DIE KOALITION (14): MARTIN RODE VOM BUND FORDERT DEN VERZICHT AUF WESERVERTIEFUNG UND OFFSHORE-TERMINAL: Lasst die Umwelt nicht hängen!
■ 51, ist Bremer Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Der Biologe aus Bremerhaven ist seit 25 Jahren im BUND aktiv.
Wie seit Anfang an steht auch nach acht Jahren rot-grünem Senat die Weservertiefung als ungelöster Streitpunkt zwischen den Koalitionären.
Die SPD beharrt stur auf dem Flussausbau, obwohl offenkundig ist, dass das Bremerhavener Containerterminal ohne Vertiefung boomt, der Wilhelmshavener Tiefwasserhafen immer noch nahezu leer steht und das Hafenhinterland mehr und mehr unter der Containerflut zu leiden hat – allen voran um den Engpass Bremer Hauptbahnhof. Das einzige, was eine Weservertiefung sicher bringen würde, wären ökologische Schäden. Und die Grünen warten wieder auf eine Gerichtsentscheidung. Vielleicht setzt der Europäische Gerichtshof der Flussvertiefung Anfang Juli endlich ein Ende, wenn über die Klage des BUND geurteilt wird.
Der zweite Konfliktfall hat auch mit der Weser zu tun: das Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB). Ein neuer Full-Service-Hafen für die Offshore-Windindustrie war 2010 die richtige Entscheidung. 2015 haben sich die Rahmenbedingungen aber so gravierend verändert, dass sich dieser Hafen nicht mehr rechnen wird. Ein privater Investor hat sich weder für den Bau noch für den Betrieb gefunden. Zu befürchten ist aber, dass das den rot-grünen Senat dennoch nicht hindert, den Hafen mit Steuermillionen selbst zu bauen und den Betrieb dem Bremer Staatsunternehmen BLG zu übergeben. Doch immer mehr kritische Stimmen werden laut und bringen die Koalitionäre nun in Bedrängnis.
Das mittlerweile überflüssige Hafenprojekt ist aber das politische Faustpfand der Bremerhavener SPD. Dabei bräuchte das Bundesland die 180 Millionen Euro dringendst an anderer Stelle. Nutznießer eines mutigen Verzichts auf das Offshore-Terminal wäre nicht nur das leere Steuersäckel, sondern auch und vor allem das einzigartige Brackwasserwatt in der Wesermündung.
Die Wohnungsbaupolitik wird zur dritten Hürde der Koalitionsbildung. Zwar wurden seit Jahren nicht mehr so viele neue Wohnungen gebaut wie in der Amtszeit des grünen Bausenators Lohse – ohne Neubau auf der grünen Wiese. Überhaupt ist es eines der Verdienste der bisherigen rot-grünen Regierungszeit, eine Abkehr vom Flächenfraß der großen Koalition vollzogen zu haben. Nun aber hat die SPD die Rückkehr zum Flächenverbrauch ins Zentrum ihrer Wohnungsbaupolitik gestellt.
Die Nachwahlrangeleien haben die Programme verflüssigt: Es tauchen Pläne auf, Ideen werden konkretisiert und Vorhaben benannt, von denen vor dem 10. Mai noch gar nicht so recht die Rede war. So wollen die designierten Koalitionäre ihre Profile schärfen. Die Gastkommentar-Serie der taz hilft Grünen und SPD dabei: Hier bündeln AkteurInnen der Zivilgesellschaft ihre Forderungen in Texten von je 3.000 Anschlägen.
■ Heute: Martin Rode, Landesgeschäftsführer des BUND
Die aktuellen Kampfplätze heißen Brokhuchting und Osterholzer Feldmark: Hier ein Überschwemmungsgebiet an der Ochtum, dort die letzte große Freifläche im Bremer Osten – vor Jahren ausgerechnet vom damaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Carsten Sieling vor der Bebauung gerettet. Dabei liegen die wahren Herausforderungen der Stadtentwicklung in zukunftsfähiger Quartiersentwicklung und kluger Innenverdichtung unter Berücksichtigung wertgebender Grünstrukturen der Stadt.
Liebe Koalitionäre, die Verhandlungen werden an den umweltpolitischen Hürden nicht scheitern. Bitte lasst aber auch die Umwelt an den Hürden nicht hängen bleiben.
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