GLAUBENSBEKENNTNIS: Einfach göttlich
REVOLUTION Viele Ostdeutsche führte der „Zeitenwechsel“ 1988/89 in die Kirchen. Manche blieben auch danach im Club
Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Mit dieser Frage marterte schon Gretchen ihren Geliebten. Auch heutzutage wird sie diskutiert, bevorzugt bei Kirchentagen. Und das ist auch gut so, wie unser ehemaliger Berliner Bürgermeister so treffend zu sagen wusste, wozu er angesichts des irischen Referendums erneut allen Grund gehabt hätte.
Aber zurück zur Frage, wie ich es damit halte. Wie noch vielen in diesem Lande wurde mir der Glaube nicht als Selbstverständnis meiner Eltern oder als traditionelle Dreingabe in die Wiege gelegt. Ich kam erst viel später dazu, als Erwachsene, in einer anderen Zeit und in einem anderen Land. Und doch war es jener „Zeitenwechsel“, der mich dazu brachte.
Viele von uns fanden sich 1988/89 in Kirchen wieder, dem „Basislager der Friedlichen Revolution“ wie der Bürgerrechtler Werner Schulz es ausdrückte. Kirche war immer ein Ort der Hoffnung. Hier wurde das bisher unerhörte Wort gesprochen, die eigene Meinung verkündet, auf mehr Demokratie gehofft und „keine Gewalt“ erbetet.
Ich weiß nicht, ob jemals zuvor oder danach so viele Nichtgläubige zu Andachten und Gebeten in deutsche Gotteshäuser geströmt sind. Auch nicht, auf wie viele diese Orte großer Gefühle nicht ohne Wirkung blieben. Der zur Staatsdoktrin erhobene Atheismus, der seinen eigenen Helden gottgleich huldigte, erfuhr hier die Probe aufs Exempel und versagte gegen die christliche Ermutigung vieler couragierte PfarrerInnen.
Ich bin mir dieses eigenen Zugangs zur Kirche bewusst. Ich verstehe besser als vor 20 Jahren das Bemühen, sich am ungefragt verpassten Glauben abzuarbeiten, anstatt festzustellen, damit nichts (mehr) anfangen zu können. Unverständlich bleibt der damit verbundene Widerspruch, zugleich mehr Toleranz für Menschen anderen Glaubens zu fordern.
Wie sagte ein anderes Berliner Original, Friedrich II.? Soll ein jeder nach seiner Fasson selig werden. Aber manches kann frau/man einfach nur göttlich finden. Oder wann haben Sie zum letzten Mal eine Bach-Kantate gehört? ILKA DEGE
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