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Kunststudierende beraten den Stadtteil

DESIGN VON NEBENAN Im Hamburger Stadtteil St. Pauli helfen Design-Studierende bei der Bewältigung alltäglicher Probleme. Damit wollen sie das Zusammenleben in der Stadt noch besser machen

„Wir designen so wenig wie möglich“, lautet ein Grundsatz der öffentlichen Gestaltungsberatung St. Pauli. Einmal pro Woche bieten Design-Studierende eine kostenlose Beratungsstunde an, die sich an jeden richtet, der sein Umfeld gestalten möchte. Deshalb der Ansatz, nicht für, sondern mit den KlientInnen zu arbeiten. „Design ist für alle da“, finden die JungdesignerInnen und adressieren vor allem Leute, die sich kein professionelles Design leisten können.

Der „Public Design Service“ ist eine Kooperation von Studierenden der Hamburger Hochschule für Bildende Künste (HFBK) und der „Gemeinwesenarbeit St. Pauli“ (GWA), in deren Räumen die Sprechstunde stattfindet. „Die Idee ist, dass Menschen mit ihren Alltagsproblemen kommen“, sagt Charlotte Dieckmann. Sie ist eine der beiden studentischen Hilfskräfte, die die Beratungsstunde betreuen.

Die Idee ist aus einem Seminar heraus entstanden: Jesko Fezen, Professor für Experimentelles Design an der HFBK, hatte sich überlegt, wie Studierende sich echten Problemen widmen können, anstatt an ihren Schreibtischen zu sitzen und eine weitere Variante eines Produkts für irgend eine Firma zu entwickeln, erinnert sich Dieckmann. Im Gegensatz dazu können bei der öffentlichen Gestaltungsberatung „alle Themen und Probleme aufgeworfen, erörtert und zum Gegenstand von Designprozessen werden“.

Die meisten KlientInnen sind der Studentin zufolge Menschen aus der Nachbarschaft. Viele Menschen auf St. Pauli nutzten andere Beratungs- oder Kulturangebote der GWA und würden so auf die Designberatung aufmerksam. „Die GWA ist unsere Brücke in den Stadtteil“, sagt Dieckmann.

Praktisch sieht das so aus: Jeden Mittwoch sitzen von 18 bis 19 Uhr eine studentische Hilfskraft und eine oder mehrere Design-Studierende im Teamraum der GWA am Hein-Köllisch-Platz und nehmen sich Zeit für die Probleme der StadtteilbewohnerInnen: Um wen geht es? Was ist das Thema? Was fehlt? Wie will man weiter vorgehen, was sind die nächsten Schritte? Diese Daten werden in einem Fragebogen, „ähnlich einem Erstanamnese-Bogen im Krankenhaus“ gesammelt, erklärt Dieckmann. Das Ergebnis wird dann am nächsten Tag im Seminar vorgestellt. Wenn einem der SeminarteilnehmerInnen das Thema zusagt, kann es anschließend übernommen werden. Im Idealfall erklärt sich eine kleine Gruppe zuständig, die sich dann bei den Leuten meldet, um einen Termin für einen Besuch vor Ort zu verabreden. Dort wird das Problem inspiziert und fotografisch dokumentiert.

Im Winter 2011, als die Design-Beratung auf St. Pauli startete, kamen zunächst die BewohnerInnen des Niebuhr-Hauses. Das 15-stöckige Hochhaus an der Reeperbahn 157 wird seit Jahren saniert. 2009 kaufte die Excelsior Immobilien GmbH das Gebäude und begann kurz darauf, die Mietwohnungen in Eigentum umzuwandeln. Bei der Sanierung traten im 70er-Jahre-Bau gesundheitsschädliche Baustoffe zutage: Asbest im Reperaturputz, PCB in den Fugen, KMF in der Dämmwolle.

Um sich gegen die Belastung zu wehren, schlossen sich die BewohnerInnen des Hauses zusammen. Doch es fehlte ihnen ein Raum, um sich regelmäßig treffen und das weitere Vorgehen besprechen zu können. Bei einer Begehung der Räume stellten die Design-Studierenden fest, dass sich ein Ort innerhalb des Hauses am besten anbietet. Und so organisierten sie einen Flur-Punsch-Abend, für den sie zusammen mit den Design-BeraterInnen eine Serie „Ad-Hoc-Möbel“ entwarfen. Mit ihnen sollte der beengten Raum in den Korridoren des Hochhauses optimal ausgenutzt werden. Sie entwarfen spezielle Stehtische und einen Tresen, den sie zwischen Decke, Boden und Türen aufhängten. In einem zweiten Schritt designten die Studierenden später eine Türbar, die als temporärer Tisch an jede Tür angebracht werden kann.

„Mit ähnlichen Problemen kommen Leute häufig in die Design-Beratung“, sagt Dieckmann: Häufig mangele es an Gemeinschaftsräumen für nachbarschaftlichen Austausch und Vernetzung. „Viele AnwohnerInnen klagen auch über die PartytouristInnen, die an den Wochenenden in Massen nach St. Pauli kommen, in Beete pinkeln und in Briefkästen kotzen.“ Um das zu vermeiden, sind die StadtgestalterInnen dazu übergegangen, Hochbeete anzulegen, in denen Pflanzen vor den Wildpinklern geschützt seien.

Die GestaltungsberaterInnen haben es sich zur Aufgabe gemacht, in „städtische Prozesse zu intervenieren“. Für Charlotte Dieckmann ist klar, dass Design zu einer besseren Stadt beitragen kann: „Wenn Menschen Probleme haben und durch die Design-Beratung zu einer Lösung gelangen, ist die Stadt dadurch ein bisschen besser geworden.“  KSCH

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