: Die, die man nicht mag
RADIO Valerie Weber kam aus dem Privatfunk und wurde WDR-Hörfunkdirektorin. Ein Porträt nach dem ersten Jahr
AUS KÖLN HELKE ELLERSIEK
Im WDR-Haus können JournalistInnen von außen keinen Schritt allein tun. Die Pressesprecherin wartet am Aufzug. Die Maskenbildnerin kommt gerade aus Valerie Webers Raum. Sie lässt sich nicht ohne Vorbereitung fotografieren. Sie hat viel zu tun mit der Reform des größten Rundfunksenders. Sie macht einen Dudelfunk aus ihm, fürchten ihre KritikerInnen. Sie stellt die angestaubte Anstalt für die Zukunft neu auf, behaupten ihre AnhängerInnen.
Wahrscheinlich ist die 49-Jährige eine Mischung aus beidem. Sie trägt eine knallige Bluse in Pink, die ihren Anspruch auf Jugendlichkeit unterstreicht. Sie hat Imagepflege nötig – für das kritische Publikum draußen im Sendegebiet, aber vor allem für die Leute im Haus.
Als Weber vor einem Jahr von WDR-Intendant Tom Buhrow geholt wurde, unterschrieben 150 RedakteurInnen eine Resolution gegen die 49-Jährige. Sie wollten die Frau von Antenne Bayern nicht. Die Befürchtung: Weber würde den stolzen WDR zur billigen Cashcow machen. Die Aktion glich einer Revolution. Wer eine Stelle als RedakteurIn beim größten deutschen ARD-Sender hat, muss schon einen goldenen Löffel im Intendantenkasino klauen, um den wohldotierten Job zu verlieren. Als Tom Buhrow bei einer Betriebsversammlung im vergangenen Jahr über die Personalie diskutieren will, traut sich keineR aus der Deckung – obwohl oder vielleicht gerade weil die Vorbehalte gegen sie bekannt sind. Sie könne die Aufregung um ihre Person verstehen, sagt Weber, aber die Leute hätten vor allem gegen einen Systemwandel unterschrieben. Deshalb hat Intendant Buhrow sie nach Köln geholt.
Gewinne, Gewinne, Gewinne
Mehr als eine halbe Million HörerInnen hat Weber gewonnen mit ihrer Strategie, massenweise Gewinnspiele in das Programm zu streuen und Werbeaktionen zu veranlassen. Auch auf dem wortlastigen Kanal WDR 5 gibt es erste Gewinnspiele. Gerüchte über die Streichung diverser Wortsendungen machen die Runde. Valerie Weber ist vor ihrer Wahl durch den Rundfunkrat angesichts des Widerstands aus den Reihen der RedakteurInnen cool geblieben. Die Hundefreundin sieht sich als Grenzgängerin zwischen öffentlich-rechtlichem und Privatfunk. Einmal bezeichnete sie sich als Managerin. Jetzt sei sie Medienmacherin, Kommunikationsexpertin.
„Ich bin als eine Frau geholt worden, die auch mal schwierige Möbel durch kleine Türen kriegt.“ Sie meint damit die Vermittlung von anspruchsvollen Inhalten. Aber gerade die bleiben außen vor, sagen viele Beschäftigte des WDR. Namentlich zitieren lassen will sich keineR. Sie schimpfen gern, wenn es nichts kostet. Sie wissen eigentlich, dass sie nicht die Opfer der angekündigten Kürzungsmaßnahmen sein werden, aber sie fühlen sich oft so. Deswegen streckt keineR den Kopf heraus, und deswegen hat Valerie Weber leichtes Spiel.
Sparen, verändern, verbessern
Sie ist im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gestartet in einer Zeit, in der der WDR Millionen einsparen und 500 Stellen abbauen wird. 80 Arbeitsplätze sollen im Hörfunk wegfallen, indem sie nicht nachbesetzt werden. Eine Herausforderung für die Radiomacherin, die ihre Magisterarbeit über Kulturprogramme unter dem Druck der Einschaltquote schrieb. „Im freien Markt habe ich gelernt, wie man klug spart – aber auch, wie man ausgesprochen dumm sparen kann.“ Die 80 einzusparenden Stellen seien nicht nur RedakteurInnen, sondern auch ChefInnen in leitenden Funktionen und SachbearbeiterInnen. Der WDR ist eine riesige, unbewegliche Behörde. Tatsächlich wird in der Bürokratie noch manche Rationalisierungsreserve zu heben sein. Weber sind solche Anachronismen klarer als all den anderen HörfunkdirektorInnen mit öffentliche-rechtlichem Hintergrund zuvor.
Die KritikerInnen im Haus interessieren sich vor allem für die programmnahen Posten, an die Weber den Rotstift ansetzt. In der Kantine und den zahlreichen Cafés rund um den Sender machen Gerüchte über die Streichung ganzer Sendungen die Runde. Weber bestreitet, dass sie diesen Weg einschlagen will. Innerhalb der letzten 15 Jahre habe sie nie Wortbeiträge eingekürzt, argumentiert sie und wirkt dabei einen kurzen Moment ein bisschen ungeduldig.
Sie kann auch anders, signalisiert dieser Unterton. Valerie Weber ist so lange verbindlich in Form und Inhalt, wie es für sie geradeaus geht. Wenn es sein muss, ist diese Frau knallhart. Ihr Umfeld und die Leute im Sender, die sie fürchten, wissen das. „Meine Erfahrung, seit ich hier bin: Ich sehe keine Wand des Widerstands. Ich sehe neugierige Blicke, aufmerksame Zuhörer, kritische Fragen – die natürlich auch“, sagt Weber. Eine Fassade, die die Pressesprecherin und Maskenbildnerin sich herzustellen bemühen. Sender und Weber versuchen ein harmonisches Bild zu erzeugen, das die Vorstellung eines Scheiterns der Managerin nicht zulässt. Wenn sie sagt, dass sie sich nicht gern als Chefin hätte, schmückt sie die Bescheidenheit damit aus, dass sie manchmal unpünktlich sei. Harmlosigkeiten, kein Wort von zu viel Strenge oder Härte.
Doch dass diese lebhafte Frau erfolgreich sein wird, ist keineswegs ausgemacht. Weber hat ein gewaltiges Problem: Viele der Menschen, mit denen sie ihre Pläne umsetzen muss, wünschen sich ihr Scheitern. Die Stimmung im Sender ist schlecht. Viele MitarbeiterInnen haben – oft grundlos – Angst um ihren Job. Dabei sind zunächst die Einzigen, die konkret etwas zu befürchten hätten, die freien Mitarbeiter: Sie sind vom guten Willen der Senderleitung abhängig. Äußern sie sich zu kritisch, könnten sie Konsequenzen in Form von deutlich reduzierten Auftragszahlen zu spüren bekommen.
Der Stellenabbau im WDR soll nicht über betriebsbedingte Kündigungen erfolgen, sie würden wohl auch zu teuer werden. Viele fürchten trotzdem die anstehenden Veränderungen, die sie persönlich betreffen werden – ein neues Büro, ein neues Gebäude, eine andere Stadt. In der WDR-Bürokratie gibt es eine gefestigte BeamtInnenmentalität. Wer dort arbeitet, sitzt meist fest im Sattel und empfindet Veränderungen als Zumutung – und Valerie Weber als Frontalangriff auf das bisherige bequeme Leben. Dass es harte Einschnitte auch im Programm gibt, ist klar.
Weber sagt, das Sparen beziehe sich „auf alles, wovon man sagen kann, dass es nicht direkt zum Radio und zum Programmmachen gehört. Manche Sachen können wir gar nicht mehr machen.“ Das gelte auch für Inhalte: „Wir denken darüber nach, manche Sendungen lieber ganz einzustellen, als sie mit halber Kraft im Hintergrund zu unterstützen.“ Um welche es konkret geht, sagt sie nicht. Dazu ist sie viel zu schlau.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen