: „Wir peilen eine Million Kunden an“
Der Ökostromhändler Lichtblick hat seinen 100.000. Kunden unter Vertrag genommen – und denkt schon jetzt an das Zehnfache. „Wir wollen zeigen, dass Ökostrom kein Produkt für einen Nischen-, sondern für den Massenmarkt ist“
Der Hamburger Ökostromhändler Lichtblick GmbH hat in diesen Wochen seinen 100.000. Stromkunden unter Vertrag genommen. Das Unternehmen ist damit der am stärksten wachsende Lieferant von Grünstrom in Deutschland. Im taz-Interview äußert sich Gero Lücking, Sprecher von Lichtblick, über das Unternehmen und den deutschen Strommarkt.
taz: Herr Lücking, wer ist eigentlich „Lichtblick“? Bei Ihren Mitbewerbern wissen die Kunden in der Regel sehr genau, wer dahinter steckt, bei Ihnen ist das weniger bekannt.
Lücking: Das ist auch bei uns kein Geheimnis. 90 Prozent gehören einer Hamburger Unternehmerfamilie, die restlichen 10 Prozent der Geschäftsführung und den Mitarbeitern.
Welcher Familie?
Dahinter steht Michael Saalfeld. Er ist seit Jahrzehnten in der Energiewirtschaft aktiv, hat sehr viel im Bereich Kraft-Wärme-Kopplung gemacht. Zu seinen bekanntesten Unternehmungen zählt auch die Firma Choren, die in Freiberg eine Anlage zur Holzvergasung und zur Herstellung von Treibstoffen aus Biomasse entwickelt hat. Mit Lichtblick will und wird Herr Saalfeld zeigen, dass Ökostrom kein Produkt für einen Nischen-, sondern für den Massenmarkt ist.
Es tauchte mal das Gerücht auf, Lichtblick hätte etwas mit dem Konzern Energie Baden-Württemberg, EnBW, zu tun …
Das ist absurd. Wir hängen mit keinem Unternehmen der etablierten Energiewirtschaft zusammen. Wenn trotzdem ein solches Gerücht kursiert, kann das nur einen Hintergrund haben: Wir gründeten zusammen mit der EnBW-Tochter Yello den „Bundesverband Neuer Energieanbieter“, der sich für bessere gesetzliche Rahmenbedingungen für neue Stromanbieter einsetzt. Denn in diesem einen Punkt haben wir tatsächlich gemeinsame Interessen – aber das ist wirklich alles, was uns verbindet.
Das sieht man ja auch daran, dass wir uns bewusst gegen die Etablierten positionieren. Wir sagen: Ökostrom kann zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten werden – das hören die Altmonopolisten mit ihren Atomkraftwerken und uneffizienten Kohleblöcken natürlich nicht gerne. Die Etablierten würden ihre eigenen Stromerzeugungsstrukturen ad absurdum führen, wenn sie das anerkennen würden. Und deswegen bringen sie ja auch immer wieder die alte Leier vom teuren Ökostrom.
Lichtblick bietet tatsächlich auch für Haushaltskunden den Strom günstiger an als viele Atomkonzerne, wie etwa EnBW, Bewag und HEW. Wie geht das?
Wir verkaufen inzwischen im Jahr 400 Millionen Kilowattstunden Ökostrom. Da haben wir gegenüber den Lieferanten eine gute Verhandlungsposition. Zudem begnügen wir uns mit niedrigeren Margen. Und als Neuling sind wir effizienter strukturiert als die alten Anbieter, bei denen noch immer der Geist der Monopolzeit herrscht.
Wer sind Ihre Lieferanten?
Derzeit kaufen wir viel Wasserkraftstrom aus der Schweiz und Österreich. Aber der Mix ändert sich jedes Jahr, weil wir alle Erzeugungsmärkte im Blick haben. Wir garantieren jedoch, dass wir immer mindestens 50 Prozent Strom aus erneuerbaren Energiequellen einkaufen und den Rest aus klimafreundlichen Gaskraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung. In diesem Jahr verkaufen wir, weil wir günstig einkaufen können, sogar nur Regenerativstrom.
Welche Kundenzahlen erwarten Sie für die nächsten Jahre?
Für Ende 2004 peilen wir 200.000 an, mittelfristig eine Million.
Und wie finden die Kunden zu Ihnen?
Ein Drittel kommt über die Post, die in ihren norddeutschen Filialen Lichtblick-Strom vertreibt. Ein Drittel kommt über unser Programm „Kunden werben Kunden“ und ein Drittel über andere Vertriebswege. Anzeigen haben sich als ineffizient erwiesen – Strom ist offensichtlich ein erklärungsbedürftiges Produkt.
Ist Ihr Optimismus für die kommenden Jahre angesichts der noch geringen Wechselbereitschaft der Privatkunden nicht übertrieben?
Es spricht sich langsam herum, wie einfach der Stromwechsel ist. Außerdem hoffen wir natürlich, dass die Regulierungsbehörde ab Mitte nächsten Jahres weitere Hemmnisse aus dem Weg räumen wird, wie etwa die überhöhten Durchleitungsgebühren. In Großbritannien liegt die Wechselquote bei 40 Prozent und damit 10-mal so hoch wie in Deutschland.
Es hängt also vieles davon ab, wie stark die Regulierungsbehörde wird?
Ja, auf jeden Fall. Und sie sollte endlich die blockierenden Altmonopolisten in ihre Schranken weisen. Alle deutschen Stromkunden zahlen heute jährlich 5 Milliarden Euro zu viel für ihren Strom. Das ist die Größenordnung, um die die Durchleitungsgebühren derzeit zu hoch liegen. Und genau das wird der volkswirtschaftliche Nutzen einer wirkungsvollen Regulierung sein.
INTERVIEW: B. JANZING
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