: Und Günther Jauch schweigt
Als bäriger Typ präsentiert sich Harald Höppner gern in Fernsehinterviews. Der 41-Jährige trägt Strickpulli und spricht von Geflüchteten, die „einfach ’n Stückchen Erde suchen, wo sie in Ruhe leben können.“ Leben und leben lassen – das war jahrelang die Devise Höppners, der sich zu Hause in seinem brandenburgischen Dorf vor allem um seine Familie kümmerte. Er verkaufte Möbel und Esoterikzubehör und diskutierte mit Freunden beim Rotwein über die Missstände der Welt. Ein kritischer Kopf, das schon – aber keiner, der versuchte, etwas zu ändern.
Bis er und ein paar Freunde sich vor einem halben Jahr sagten: Man müsste ein Schiff kaufen und Flüchtlingen helfen. Die Idee ließ ihn nicht mehr los – und vergangenen Sonntag legte die „Sea Watch“ in Hamburg ab. Ihr Ziel: das Seegebiet zwischen Malta und Libyen.
Das Rettungsschiff
Von Anfang an war klar, dass Höppner die Medien braucht. Denn seine Initiative will nicht nur Ersthilfe leisten und Rettungsdienste informieren, sondern auch live vom Meer berichten. „Die EU-Außengrenze nach Berlin holen“, wie er sagt.
Deshalb hat Höppner zuletzt häufig in Kameras geguckt und geduldig Fragen beantwortet. Er nahm in Kauf, den Guten zu geben, der uns beruhigt: Da sind noch hilfsbereite Menschen.
Und so saß er am Sonntag auch bei Günther Jauch im Studio. Eine knappe Stunde lang verfolgte er vom Publikum aus das Fernsehgerede. Dann setzte sich Jauch mit Mikro neben ihn.
Seit dem letzten Interview, das Höppner gegeben hatte, war allerdings etwas passiert: Wieder war ein Flüchtlingsschiff gekentert, mit bis zu 900 Menschen darin. Höppner will jetzt nicht mehr der Stellvertreter sein, der den Zuschauern das Gefühl gibt, es werde schon alles gut werden. Fast aggressiv ist sein Tonfall, als er die Studiogäste auffordert, für eine Schweigeminute aufzustehen. Viele loben ihn hinterher dafür. „Peinlich“, kommentieren andere auf Facebook, oder schreiben von „Bevormundung des Publikums“.
Höppners Auftritt war nicht sehr charmant. Zeitweise rückte der große Mann dem Moderator so nah auf den Leib, dass man meinen konnte, er wolle ihn angreifen. Aber so irritierend sein Auftreten war, kam seine Wut offenbar von Herzen. Leben und leben lassen – Harald Höppner hat beschlossen, dass man dafür aktiv werden muss. SARA MOUSLY
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen