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„Es ist faszinierend, was die Kinder dann alles können“

BILINGUALITÄT Die Anzahl zweisprachiger Kitas hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Pädagogin Angela Löffler vom Verein „Kinderwelt Hamburg e.V.“ erklärt, wieso die Nachfrage so groß ist und worauf Eltern achten sollten

Angela Löffler

■ 58, Pädagogin und Fachberaterin für Bilingualität im Kinderwelt Hamburg e.V. Zu dem Verein gehören 18 Kitas, in denen neben der deutschen Sprache auch die englische vermittelt wird.

INTERVIEW VANESSA RANFT

taz: Frau Löffler, können Kinder im Kindergartenalter mehrere Sprachen gleichzeitig erlernen?

Angela Löffler: Ja, ohne Probleme. Jedes Kind kann mehrere Sprachen parallel erlernen. Unabhängig davon, welche Sprachen es sind. Linguisten gehen davon aus, dass bis zu fünf Sprachen möglich sind. Es kommt also vor allem darauf an, wie sie dem Kind vermittelt werden.

Kommen die Kinder nicht durcheinander?

Was wir Erwachsenen als durcheinander bezeichnen, ist möglicherweise nur die Fähigkeit, die Regeln von einer Sprache auf die andere zu übertragen. Dafür braucht ein Kind Zeit. Doch wenn man ihm eine Sprache sauber und differenziert vermittelt, dann erlernt es die Sprache fließend. Wenn ich hingegen zwischen zwei Sprachen wechsle und sage „Zieh dir deine Jacke an, it’s cold outside“, kann es durcheinander kommen.

Darum benutzen Sie in den bilingualen Kitas Ihres Vereins „Kinderwelt Hamburg e.V.“ die Methode „Eine Person – eine Sprache“.

Ja, jeder Pädagoge ist einer Sprache zugeordnet. Das nennt sich immersives Englisch. Bildlich gesprochen bedeutet immersiv, dass das Kind in der Sprache badet – also die englische Sprache genauso erlebt wie die deutsche. Mit einem Baby, das auf die Welt kommt, wird sofort gesprochen. Da wartet keiner darauf, dass es Wörter versteht oder Sätze formulieren kann. Und so funktioniert das auch im Kindergarten. Da wird im Team festgelegt, wer Deutsch spricht und wer auf sehr gutem Niveau Englisch spricht. Das machen diese Personen gegenüber den Kindern vollkommen natürlich und unabhängig davon, was sie mit den Kindern tun. Es gibt keinen Unterricht und es gibt kein „jetzt lernen wir mal Englisch“.

Also ist nicht festgelegt, dass der Morgenkreis an einem Tag auf Englisch stattfindet und an einem anderen auf Deutsch?

Nein, denn das wäre kein immersives Englisch. Immersion zeichnet sich dadurch aus, das die Sprache erlebt wird, so als würde ich meine Familiensprache erleben oder die Sprache, die sonst im Kindergarten gesprochen wird. Nur es gibt eben eine weitere Sprache im Angebot.

Wirkt sich dieses immersive Angebot gleichermaßen positiv auf das Sprechen wie auf das Hörverstehen aus?

Es wirkt sich in unseren Kitas besonders auf das Hörverstehen aus, weil wir nur darauf Wert legen. Ob die Kinder Englisch sprechen wollen oder nicht, überlassen wir ihnen selbst. Kinder sind klug und effizient und merken, dass sie in Deutschland, Hamburg oder der Kita von mehr Menschen verstanden werden, wenn sie Deutsch sprechen und nicht Englisch. Also sprechen sie Deutsch.

Und das ist so gewollt?

Ja. Sobald dieses Kind merkt, dass sein Gegenüber es auf Deutsch nicht versteht, packt es seine Englischkenntnisse aus. Wenn die Familie zum Beispiel ins Ausland fährt und das Kind feststellt, es wird nicht verstanden, wenn es Deutsch spricht, spricht es Englisch. Es ist faszinierend, was die Kinder dann alles können.

Macht es Sinn, dass einsprachige Eltern ihre Kinder in einer bilingualen Gruppe anmelden?

Ja, selbstverständlich. Das ist ein Bildungsangebot. Durch den frühen Kontakt mit einer Zweitsprache interessieren sich die Kinder später viel mehr für andere Sprachen und haben in der Regel auch eine größere Akzeptanz gegenüber Menschen, die eine andere Sprache sprechen.

Wie können Eltern, die selber kein Englisch sprechen, ihre Kinder unterstützen und ihnen zeigen, das Englisch eine gelebte Sprache ist?

Sie sollten mit ihnen verreisen, Menschen einladen, die Englisch sprechen, englischsprachiges Radio einschalten oder Videos gucken – aber nicht selber Englisch sprechen. Denn dann lernt es die Sprache falsch.

Gibt es in Norddeutschland einen fließenden Übergang mit der Sprache ins weitere Bildungssystem?

Nein, denn die Schulen ziehen ja leider nicht nach. Die meisten tun immer noch so, als würden die Kinder kommen, ohne jemals Englisch gehört zu haben. Das ist sehr bedauerlich. Mit etwas Glück beginnt der Englischunterricht schon in der ersten Klasse wie in Hamburg, aber zum Beispiel fangen die Lehrer dort wieder mit Sachen an, die eigentlich mit Dreijährigen gemacht werden. Das ist für diese Kinder schade. Die denken dann im Prinzip: „Ich kann doch schon Fahrrad fahren, warum muss ich jetzt wieder mit einem Dreirad anfangen?“

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