: Rot-grüne Integration
Mit einem langen Zielkatalog sagt der Senat, wie in dieser Legislaturperiode „alle hier lebenden Migranten“ integriert werden sollen. Flüchtlinge und Geduldete tauchen in dem Papier nicht auf
von Christian Jakob
Fünf Leitbilder, 34 Indikatoren, 105 Handlungsziele: Im Ungefähren bleibt die dritte Auflage der „Konzeption zur Integration von ZuwanderInnen“ des Bremer Senats nicht. Das in der vergangen Woche von Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD) präsentierte Papier formuliert die bremische Integrationspolitik bis 2011. Im Vordergrund stehe nicht mehr „der bloße Ausgleich von Benachteiligungen, sondern die Mobilisierung der Selbsthilfe-Potenziale“ der ZuwandererInnen, so Rosenkötter.
Im April hatte das Ressort der Bürgerschaft den Bericht des zweiten Integrationskonzepts – Laufzeit: 2003 bis 2007 – vorgelegt. Weil sich das Konzept als „überaus erfolgreich“ erwiesen habe, sollte auch für die laufende Legislaturperiode ein solches Konzept aufgelegt werden. Alle Ressorts waren angehalten, „neue Integrationsziele und -projekte“ zu formulieren. Diese goss die Behörde in fünf Leitbilder: „Sprache und Bildung“, „Ausbildung, Weiterbildung“, „Soziale Stadtentwicklung und Förderung des sozialen Zusammenlebens“, „Interkulturelle Öffnung“ sowie „Partizipation und bürgerschaftliches Engagement“.
Hieraus leiten sich insgesamt 105 „Handlungsziele“ ab, darunter der Ausbau der Sprachförderung in Kindergarten und Schule, Hilfsangebote für junge MigrantInnen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder die Berücksichtigung besonderer Bedarfe von älteren Zuwanderern in der Pflegeausbildung. Als eines der zentralen Ziele wird die „signifikante Senkung der Abgängerquote ohne Hauptschulabschluss“ benannt.
Ausweislich des Vorwortes richtet sich „Integrationsarbeit vom Grundsatz her an alle in Bremen lebenden Zuwanderer, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Staatsangehörigkeit, ihrer Kultur, ihrer Religion oder Weltanschauung“. Unabhängig von ihrem Aufenthaltstitel aber offenbar nicht: AsylbewerberInnen oder geduldete MigrantInnen finden sich explizit in keinem einzigen der 105 Ziele. Eine Eindämmung der zermürbenden Praxis der „Kettenduldungen“ wird nicht angestrebt – obwohl diese ein schwerwiegendes Integrationshindernis für viele seit Jahren in Bremen lebende MigrantInnen ist und auf Landesebene gestaltbar wäre.
Zugleich formuliert das Papier einen großen Fortschritt für die Lage von MigrantInnen ohne Aufenthaltsstatus: Die „Sicherung der gesundheitlichen Versorgung papierloser MigrantInnen“ ist erstmals als Handlungsziel offiziell festgeschrieben. Das Konzept geht damit über den rot-grünen Koalitionsvertrag hinaus. Der sieht lediglich die „Unterstützung“ entsprechender Projekte von freien Trägern vor.
Nachdem im Oktober bekannt wurde, dass in Bremen entgegen des Bundestrends 2006 ein Rückgang der Zahl der Einbürgerungen zu verzeichnen war, wurde vielfach eine „Einbürgerungskampagne“ erwogen, um einbürgerungsfähige MigrantInnen zur Antragstellung zu ermutigen. Diese soll nunmehr lediglich „geprüft“ werden. Dabei stehen ab 2008 vor einer Einbürgerung weitere Hürden: PassbewerberInnen müssen jetzt erheblich bessere Deutschkenntnisse nachweisen als bisher, zudem wird ein bundesweiter „Einbürgerungstest“ eingeführt.
Nur geprüft werden soll laut Integrationskonzept auch die Ausweitung des Wahlrechts für MigrantInnen. Dabei war die Poltik schon weiter: Kürzlich hatte sich die Bürgerschaft dafür ausgesprochen, dass EU-Ausländer künftig die Abgeordneten des Landtages wählen dürfen und Staatsangehörige von Ländern außerhalb der EU das kommunale Wahlrecht erhalten.
Auch die Polizei soll ihren Teil beitragen: Durch Öffentlichkeitsarbeit soll die Zahl der Bewerbungen von MigrantInnen für den Polizeidienst erhöht werden. Zudem sollen PolizistInnen Seminare zur Förderung der interkulturellen Kompetenz besuchen und „muslimische Honoratioren als Mittler polizeilicher Prävention“ nutzen lernen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen