: Zypern hofft nun auf eine Ära des Friedens
Nach dem Sieg des Postkommunisten Demetris Christofias bei den Präsidentenwahlen im griechischen Süden bekräftigt die zyperntürkische Seite ihren Willen zu einer Lösung des Konflikts. Bald sollen direkte Gespräche beginnen
NIKOSIA taz ■ „Die einzige Ideologie, die jetzt noch gilt, ist die, die zur Überwindung der Teilung führt.“ Noch am Wahlabend machte Demetris Christofias, der neue Präsident der Republik Zypern, deutlich, dass mit ihm keine sozialistischen Experimente zu erwarten sind. Der Generalsekretär der postkommunistischen Akel hat am Sonntag seinen konservativen Konkurrenten Ioannis Kassoulides in der Stichwahl mit mehr als 53 Prozent der Stimmen besiegt.
Tausende Anhänger jubelten ihm in und vor der überfüllten größten Sporthalle Nikosias zu: Mit Flaggen der Republik Zypern, Che-Guevara-Bildern und roten Fahnen der Gewerkschaft PEO feierten sie ihren historischen Sieg. Nur eine einzige griechische Flagge, Symbol des hellenischen Nationalismus, war zu sehen.
Zum ersten Mal überhaupt hat es ein Kommunist gewagt, für das höchste Staatsamt zu kandidieren – und gewonnen. Dass es nun zu neuen Verhandlungen mit den türkischen Zyprioten kommen wird, gilt als sicher. Noch am Sonntag gratulierte der Präsident des türkischen Nordzyperns, Mehmet Ali Talat, Christofias zu seiner Wahl – ein im von Stacheldraht geteilten Nikosia höchst ungewöhnlicher Vorgang.
Gestern erklärte Talat die Wahl Christofias’ gar zum „Beginn einer neuen Ära“. Er sei „sehr hoffnungsvoll“, dass das Zypern-Problem nun gelöst werden könne. „Wir müssen zu einer Einigung kommen, der beide Seiten zustimmen können.“ Ein Termin für ein Treffen zwischen Talat und Christofias steht noch nicht fest. EU-Kommissionspräsident Barroso mahnte den neuen Präsidenten, den Stillstand zu überwinden, und selbst die USA gratulierten Christofias zu seinem Sieg.
Der schlug gänzlich andere Töne als sein abgewählter Vorgänger Tassos Papadopoulos an. „Ich reiche den türkischen Zyprioten meine Hand“, sagte er. „Griechen und Türken Zyperns – wir alle haben eine Zukunft. Ein Mutterland für alle Kinder unserer Insel.“ Der Akel-Chef hat die Kontakte zu den türkischen Zyprioten nie abreißen lassen. Er ist mit Talat gut bekannt.
Wie weit Christofias Kompromissfähigkeit aber tatsächlich gehen wird, hängt auch von der Zusammensetzung seines künftigen Kabinetts ab. Seine Mehrheit verdankt der 61-Jährige der Unterstützung durch die sozialdemokratische Edek und die nationalistische Demokratische Partei (Diko) von Expräsident Papadopoulos. Letztere könnte sich als Bremser für einen wirklichen Neuanfang erweisen. Entsprechende Befürchtungen äußerte gestern auch Talat. Ziel aller Gespräche ist die Gründung eines bizonalen Bundesstaats Zypern. Christofias hat dabei bereits deutlich gemacht, dass er den vor vier Jahren gescheiterten UN-Plan nicht als Vorlage betrachtet.
Der Annan-Plan war 2004 am Widerstand der Insel-Griechen und auch von Christofias selbst gescheitert. Tatsächlich ist die gescheiterte UN-Verfassung infolge der nationalistischen Propaganda unter den Zyperngriechen derart desavouiert, dass ein neuer Versuch zur Wiedervereinigung unter altem Namen auf breite Ablehnung stoßen würde. Das Kind benötigt also einen neuen Namen. Doch allzu große Neuerungen bei einem Kompromiss sind kaum zu erwarten. Talat vermied es gestern, das Wort „Annan-Plan“ auch nur zu nennen, sprach aber davon, dass die bisherigen UN-Vereinbarungen Grundlage einer Einigung sein müssten.
Mit Demetris Christofias wird erstmals ein erklärter Kommunist Regierungschef in einem Mitgliedsland der Europäischen Union. Schon seit Jahrzehnten allerdings versteht sich die Akel als Vertretung des Machbaren. Auch zu Sowjetzeiten stand nicht die Revolution auf der Tagesordnung, sondern konkrete Veränderungen auf der damals noch armen Insel – und ein gutes Verhältnis zwischen Griechen und Türken.
Christofias kann auf eine lupenreine Parteikarriere zurückblicken. Schon als 14-Jähriger trat er in die Schülergruppe der Partei ein. Mit 18 wurde er Mitglied der Akel selbst. Deren langjähriger stalinistischer Chef Ezekias Papaioannou förderte das junge Talent: Christofias durfte ab 1969 mit einem Stipendium Sozialwissenschaften in Moskau studieren.
Seine Parteikarriere auf Zypern ging danach ohne einen einzigen Ausrutscher weiter: Mitglied im Bezirkskomitee, Mitglied des Zentralkomitees, schließlich im Politbüro, dem höchsten Entscheidungsgremium der Partei. Nach dem Tod von Papaioannou übernahm er im April 1988 den Posten des Generalsekretärs. Akel ist eine zentralistische Partei geblieben, Christofias ihr unbestrittener Chef. Zugleich gilt er seit Jahren unter den griechischen Zyprioten als beliebtester Politiker.
KLAUS HILLENBRAND
meinung und diskussion SEITE 12
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