piwik no script img

Ortstermin: Auf der Baustelle des Steinkohlekraftwerks in Hamburg-MoorburgGute Laune an der Baugrube

Das Wetter könnte kaum besser sein. Es ist warm, die Frühlingssonne strahlt über Staub und Lärm der großen Maschinen, am Flussufer drehen sich zwei Windanlagen im frischen Südost-Wind, und ein sehr großer Herr mit gelbem Bauhelm und gewinnendem Lächeln schwärmt von fossilen Energieträgern. „Wir bauen hier das umweltfreundlichste Kohlekraftwerk Europas“, sagt Vattenfall-Chef Hans-Jürgen Cramer: „Diese Baustelle ist die energiewirtschaftliche Lösung für Hamburg.“

Hier im Stadtteil Moorburg an der Süderelbe, etwa vier Kilometer südlich der Köhlbrandbrücke und in direkter Nachbarschaft zum ehemaligen Fischerdorf Altenwerder, das einst nach langem Kampf von SPD, CDU, Handelskammer und Hafenwirtschaft gegen Grüne und Umweltschützer dem modernsten Containerterminal Europas weichen musste, baut der Energiekonzern Vattenfall jetzt am größten Steinkohlekraftwerk Deutschlands.

Und er baut an der Sollbruchstelle des schwarz-grünen Regierungsbündnisses, das in der Hansestadt noch gar nicht so ganz in trockenen Tüchern ist. Im Koalitionsvertrag heißt es lediglich, dass die zuständige Behörde über die Genehmigung des Projektes entscheiden werde. Und diese – die Umweltbehörde – soll künftig ausgerechnet von einer grünen Senatorin geleitet werden.

Diese Anja Hajduk sei jedoch nach seinem Eindruck „eine integre Persönlichkeit“, beteuert Cramer vor den Journalisten, die sein Unternehmen an diesem Mittwoch Vormittag zur Besichtigung der Großbaustelle eingeladen hat. Er habe „keine Zweifel, dass Frau Hajduk nach Recht und Gesetz entscheiden“ werde, sagt Cramer, und er meint damit: für Vattenfall und für das Kraftwerk – die „Dreckschleuder“, wie die Grünen den Meiler im Wahlkampf noch genannt hatten.

Und die unvermeidbare Frage eines Kollegen vom Boulevard, ob er denn mit der grünen Senatorin „auch mal ein Bier trinken gehen würde“, beantwortet der Vattenfall-Chef mit der Vermutung, „dass Frau Hajduk wohl eher grünen Tee bevorzugt“. Für ihn als gebürtigen Ostfriesen jedoch, fährt Cramer fort, sei das „kein Problem“.

Draußen vor dem Werksgelände protestieren die Umweltschützer mit Transparenten und Flugblättern gegen das Kraftwerk, denn das wird jährlich ungefähr so viel Kohlendioxid ausstoßen wie der gesamte Autoverkehr in Hamburg. Ein „Klimakiller“ sei Moorburg deswegen, sagen die von Greenpeace und die vom BUND, und das Wasser der Elbe werde es auch noch aufheizen – mit schweren Schäden für des Flusses Flora und Fauna.

„Wir haben alle Umweltauflagen der Stadt erfüllt“, sagt Cramer derweil drinnen auf dem Werksgelände, vor der riesigen Baugrube für den ersten Kraftwerksblock. Und dass auch er über weitere Investitionen in erneuerbare Energien mit sich reden lassen würde – wenn denn erst mal die definitive Genehmigung für das hier entstehende Steinkohlekraftwerk erteilt sei. Bislang baut Vattenfall mit einer vorläufigen Baugenehmigung des alten CDU-Senats – und wie endgültig dieses „vorläufig“ sein mag, werden wohl die Richter entscheiden müssen.

250 Millionen Euro will der Konzern bereits investiert haben, für eine weitere Milliarde hat er Bestellungen aufgegeben für Turbinen und anderen Technikkram, den ein Kraftwerk eben so braucht. Und dieses Geld bekäme Vattenfall gern erstattet – falls die grüne Frau Hajduk den Weiterbau doch noch verbietet. SVEN-MICHAEL VEIT

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen