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Der enttarnte serbische Saubermann

Sehr überrascht sei er gewesen, als die serbische Polizei Mittwoch in Pančevo zugriff, erklärten später einige Beteiligte serbischen Medien. Stojan Župljanin hatte sich jahrelang im Untergrund sicher gefühlt. Er legte sich nach dem 1999 vom UN-Kriegsverbrechertribunal erlassenen Haftbefehl die Identität des verstorbenen Branislav Vukadin zu. Als der gab er sich auch bei der Verhaftung aus.

Der ehemalige Organisator der ethnischen Säuberungen in der Region Banja Luka in Westbosnien stand nach Radovan Karadžić, Ratko Mladić und dem kroatischen Serben Goran Hadžić als Vierter ganz oben auf der Fahndungsliste des Tribunals. Nach einer DNA-Analyse endgültig überführt, wurde der 1951 in Maslovare in Westbosnien geborene Župljanin einem Sondergericht überstellt. Die serbischen Behörden wollen ihn aber offenbar nach Den Haag ausliefern.

Župljanin gehörte jener Generation in Jugoslawien an, die die große Umwälzung des agrarisch strukturierten Landes, die Industrialisierung, die Landflucht, den Aufstieg in der Stadt erlebten. Er stammt aus jener Schicht, die den Wertewandel nicht verkraftete und beim Zerfall Jugoslawiens Träger der nationalistischen Bewegungen wurde. Er studierte Jura in Sarajevo und entschied sich für die Polizeilaufbahn. 1975 wurde er Sekretär für innere Angelegenheiten in Banja Luka, 1978 kommandierte er ein Polizeirevier und leitete ab 1981 eine Polizeistation in Banja Lukas.

Der Karrieremacher im kommunistischen System wandelte sich Anfang der 90er zum Nationalisten. Eifrig war er dabei, die nichtserbische Bevölkerung der Region zu erfassen. Als Mitglied des Krisenstabes war er beteiligt an Planung und Aufbau der Konzentrationslager Manjaca, Omarska und Keroterm. Die Ankläger in Den Haag werfen ihm vor, aktiv nichtserbische Wohnungen, Häuser, Dörfer und Städte zerstört und die Bewohner mit jeglicher Form brutaler Gewalt vertrieben zu haben. Tausende von Menschen verloren damals ihr Leben, Hunderttausende Heimat und Besitz. Ab 1994 wurde er Berater für interne Angelegenheiten bei der von Karadžić geführten Regierung des Serbenstaats in Bosnien.

Dass die serbischen Behörden Župljanin jetzt verhaften ließen, ist angesichts der nicht abgeschlossenen Regierungsbildung erstaunlich. Berichte, wonach die Sozialistische Partei des verstorbenen Milošević nun doch mit den proeuropäischen Parteien koalieren will, führten zu Spekulationen im Falle der Verhaftung noch gesuchter Kriegsverbrecher. Die Sozialisten könnten als Eintrittskarte in eine proeuropäische Regierung ihre schützende Hand von den Gesuchten zurückziehen, lautet eine.

ERICH RATHFELDER

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