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Der Preisgekrönte mit Witz und Tempo

Beim Schreiben, sagt Tilman Rammstedt, sei er an den Konflikten interessiert, die sich zwischen seinen Romanfiguren abspielen. „Lustvolle Momente“ seien das, wenn man nach langem Ringen endlich wisse, wie und wo sich ein solcher Konflikt entladen könne. In seinem zweiten, 2005 erschienenen Roman „Wir bleiben in der Nähe“ etwa geraten zwei junge Männer mit ihrer Schulfreundin Katharina aneinander, die sie kurz vor ihrer Hochzeit in ein Haus an der bretonischen Küste entführen und dort zur Auseinandersetzung mit ihren eigenen Wünschen und Hoffnungen zwingen wollen.

Auch in „Der Kaiser von China“, dem Text, mit dem der 1975 in Bielefeld geborene, heute in Berlin lebende Schriftsteller und Musiker am Samstagabend den 32. Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt gewonnen hat, geht es um einen fundamentalen Konflikt: um den zwischen dem jungen Protagonisten und seinem Großvater. Die Handlung setzt ein, als der Erzähler eine Postkarte vom Großvater erhält, die – zunächst achtlos beiseitegelegt – erst in dem Moment an Bedeutung gewinnt, als ihn kurze Zeit später die Nachricht vom Tod des alten Mannes ereilt.

In Rückblicken erfährt man vom Verhältnis der beiden zueinander – und von der Reise des Großvaters nach China, auf die zu begleiten sich der Enkel so beharrlich weigerte. China, ein Sehnsuchtsort, in dem für einen Mann, der nie über die Grenzen Deutschlands hinausgekommen ist, alles, was er im Leben verpasst zu haben glaubt, zusammenläuft. Im Text prallen zwei konträre Perspektiven aufeinander: die eines Menschen, dessen Lebensreise ihrem Ende zustrebt, und die desjenigen, der eigentlich noch gar nicht aufgebrochen ist.

Vor allem aufgrund ihrer klaren, musikalischen Sprache vermag Rammstedts Geschichte, vom Autor in Klagenfurt in einem beinahe aberwitzigen Tempo vorgetragen, zu überzeugen. Die Jury lobte den „hochkomischen Text“ für die sorgsam gesetzten Pointen. Allerdings verhält sich die Figur des Großvaters ein bisschen zu oft so, wie man es von einem alten Mann erwartet: störrisch, trotzig, gleichzeitig irgendwie liebenswert. Erst zum Ende hin gewinnt der Text deutlich an Rasanz, wenn etwa beschrieben wird, wie der Großvater seinen Enkel vor seinen Freundinnen lächerlich machte: „Das fing mit harmlosen Kindergeschichten an, zog sich weiter über unvorteilhafte Fotos bis hin zur absonderlichen Lügengeschichte, dass ich noch immer hin und wieder ins Bett machen würde zum Beispiel.“ In solchen Augenblicken offenbart Tilman Rammstedt das selten gewordene Talent, im selben Moment liebevoll und grausam erzählen zu können.

ANDREAS RESCH

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