: Otto kauft sich bei Uni ein
Die Leuphana Universität Lüneburg bildet bald den Manager-Nachwuchs der Otto Group aus – gegen Geld. Dass das für Diskussionen sorgt, ist dem Präsidium klar. Wissenschaftsminister Stratmann begrüßt „Impuls für bildungspolitischen Wandel“
VON FLORIAN ZINNECKER
Was sich in der deutsche Hochschullandschaft abspielt, erinnert ein bisschen an die Fabel vom Hasen und dem Igel: Sobald jemand den Aufbruch zu neuen Ufern wagt – Holm Keller, Vizepräsident der Leuphana Uni Lüneburg, ist schon da. Diesmal will die Lüneburger Hochschule vom Wintersemester an Führungskräfte-Nachwuchs der Otto Group ausbilden. Der international agierende Handels- und Dienstleistungskonzern lässt dazu an der Leuphana einen eigenen Management-Studiengang einrichten, der nur Konzernmitarbeitern offen steht. „An einer deutschen öffentlichen Hochschule“, sagt Keller der taz, „gibt es das sonst nirgends.“
In Harvard, Oxford, Yale und Cambridge dagegen sie so etwas völlig normal – „und diese angelsächsische Realität holen wir jetzt nach Deutschland.“ Für die Leuphana geht es dabei um viel Geld. Die Otto Group, zu der neben dem Otto-Versand unter anderem auch das Versandhausunternehmen Baur und die Hermes Logistik-Gruppe gehören, hat angekündigt, für ihr akademisches Weiterbildungsprogramm mehr ausgeben zu wollen, als die Leuphana dafür investieren muss. Der Überschuss, sagt Uni-Vize Keller, fließe in die grundständige Lehre und Forschung – die Kooperation komme also der Uni insgesamt zugute. Dieses Studienprogramm sei ein Versuch, „den wir sehr genau evaluieren“, sagt Keller. Im Moment sehe er keine Nachteile. Für den Fall, dass das so bleibt, werde er weitere Aktivitäten entfalten und „vergleichbare Programme auch mit anderen Unternehmen auflegen“.
Wenn sich die Leuphana durch Privatisierung profilieren wolle, möge die Hochschulleitung doch bitte geschlossen an eine private Hochschule wechseln, kritisiert der Sprecher der Lüneburger Asta, Bjoern Gluesen. Grundsätzlich lehne die Studierendenschaft eine Kooperation mit Unternehmen nicht ab. Aber: „Unter den derzeitigen Studienbedingungen“ – Gluesen nennt allein 20 nicht besetzte Professuren – sei es „unhaltbar, wenn sich Unternehmen Studiengänge kaufen.“ Bevor die Hochschulleitung solche Kooperationen anstrebe, müsse sie erstmal die Kernaufgaben der Universität hinreichend erledigen.
Auch dürfe das Land Niedersachsen nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden, die Lüneburger Hochschule finanziell angemessen auszustatten, sagt der Asta-Sprecher. Erst in der vergangenen Woche waren Lüneburger Studenten für eine bessere finanzielle Ausstattung ihrer Hochschule auf die Straße gegangen.
Das Gluesens Sorgen berechtigt sind, zeigt die Reaktion der niedersächsischen Landesregierung. Angesichts der Unterzeichnung des Kooperationsvertrags zwischen Leuphana und Otto Group am Mittwoch in Berlin hatte Niedersachsens Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) gejubelt, dieser Schritt sei als „Impuls und Wegweiser für den bildungspolitischen Wandel“ zu sehen.
Die Nachricht von der Unterzeichnung des Kooperationsvertrags durch Keller und Otto-Vorstandsmitglied Alexander Birken ist nicht die erste, mit der die Lüneburger Hochschule Aufsehen erregte. Zuletzt war es die Umgestaltung des Lüneburger Campus nach Plänen von Daniel Libeskind, mit der Leuphana-Präsident Dr. Sascha Spoun und sein Vize Keller die Hochschule „auf den Weg ins 21. Jahrhundert“ bringen wollten. Schon in der Vergangenheit war dem Präsidium mehrfach vorgeworfen worden, sich zu stark nach wirtschaftlichen Bedürfnissen zu richten – und zu wenig nach akademischen Notwendigkeiten. Denn der entstehende Otto-MBA-Studiengang ist nicht die erste Zusammenarbeit von Leuphana und Otto. Seit Beginn des Wintersemesters werben der Konzern und die Uni für ein Otto-Stipendien-Programm, wofür ausgewählte Studierende vergütete Praktika bei Otto absolvieren dürfen und mit einem monatlichen Büchergeld unterstützt werden.
„Sobald die Otto Group an vielen Stellen mit der Uni kooperiert, besteht natürlich die Gefahr einer gewissen Abhängikeit“, sagt Asta-Sprecher Gluesen. Das Stipendienprogramm stehe auf einem völlig anderen Blatt Papier, entgegnet Uni-Vize Keller. „Das ist ein klassisches Unternehmensstipendium, wie es viele in Deutschland gibt – ein Angebot, das niemand annehmen muss.“ Die Leuphana bleibe eine öffentliche Universität.
Dass es aber eine öffentliche Auseinandersetzung darüber geben werde, ob und inwieweit Unternehmen und öffentliche Universitäten zusammenarbeiten sollten – „damit rechnen wir“, sagt Keller. „Wir sehen das aber entspannt.“ Vor Kritik habe er keine Angst. Auch diesmal nicht.
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