Kunstrundgang: Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um
Zwei Frauen, vom Scheitel bis zur Sohle in Schwarz gehüllt, sitzen auf einer Bank. Eine dritte fotografiert sie, bevor sie ihnen kichernd entgegenläuft und einer der beiden die Kamera in die Hand drückt. Nun ist es an der, die Gestalten auf der Bank abzulichten. Welch ein absurder, nicht endender Rundlauf um Individualität, Lebensfreude und gesellschaftliche Normen. Aber nicht alle Werke von „Mahrem – Anmerkungen zum Verschleiern“ laden so humorvoll zum Mitdenken ein wie das der syrischen Künstlerin Samer Barkaoui. Die in Frankreich lebende Algerierin Samta Banyahia hat die Fenster von Tanas mit Ornamenten versehen und so den Unterschied zwischen drinnen und draußen verstärkt. Das gebrochene Licht scheint gerade noch zu reichen, um die Blumen von Bruna Esposito nicht welken zu lassen: Blüten aus verschleierten Frauen, die die Italienerin in Magazinen fand, ranken zum süßen Klang eines Liedes gen Decke. Auch Mandana Moghaddams „Chelgis I“, eine lebensgroße Frauenskulptur aus wallendem Haar, ist eine poetische Anspielung. Denn Chelgis ist nach einer iranischen Sage eine junge Frau, die von einem Dämon in einem Garten festgehalten wird. „Chelgis III“, ein 29-minütiger Film der Iranerin, die für drei Monate in Berlin lebt, ist im Rahmen der Langen Nacht der iranischen Film- und Videokunst in der ifa Galerie zu sehen. Ob nun die Videoarbeit von Kultug Attaman, in der vier Frauen von ganz unterschiedlichen Gründen erzählen, warum sie Perücken tragen mussten (Verfolgung, Krankheit, Kopftuchverbot und Geschlechtsumwandlung/Stress), oder Nezaket Ekicis Performance „Gravity“, für die sie 25 Kopftücher auf unterschiedlichste Weise und unter immer größeren Anstrengungen umbindet – Mahrem zeigt, dass es nicht nur einen Grund gibt, warum Frauen Schleier tragen, was zur Reflexion anderer als nur religiöser Bedingungen führt.
„Mahrem – Anmerkungen zum Verschleiern“: bis 10. August, Di.–So. 11–18 Uhr, Tanas, Heidestr. 50 „Moving Naqsh – Lange Nacht der iranischen Film- und Videokunst“: Do., 17. Juli ab 17 Uhr, ifa-Galerie, Linienstr. 139
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