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Glos blitzt mit Milliardenprogramm ab

Kritik am Konjunkturprogramm von Wirtschaftsminister Glos: Es komme nur Besserverdienenden zugute, sagen Grüne. Es sei nur Wahlkampfgerede, meinen Linke

BERLIN taz ■ Das von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) vorgestellte Konjunkturprogramm stößt auf breite Ablehnung. Kerstin Andreae, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen, hält „das Programm in dieser Form für ziemlich kurzfristig gedacht“. Auch die Bundesregierung lehnt das Programm kategorisch ab. „Es mache keinen Sinn, auf hypothetische Szenarien einzugehen“, sagt Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.

Streitpunkt ist der Vorschlag, die Konjunktur mit einem zehn Milliarden Euro schweren Programm zu stützen. Walther Otremba, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, hatte zuvor erklärt: Wenn sich das Konjunkturklima abkühle, müsse im Herbst darüber geredet werden, wie das Wachstum verstetigt werden könne.

Zu den angekündigten Maßnahmen zählen die Wiedereinführung der alten Pendlerpauschale, ein höherer Freibetrag bei der Einkommenssteuer und eine Reform des Steuertarifs. Außerdem sollen haushaltsnahe Dienstleistungen besser steuerlich gefördert werden.

Hintergrund der Debatte ist die schwächelnde Konjunktur. Der am Montag von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) veröffentlichte Index zum Konsumklima bestätigt das. Demnach ist die Kauflaune der Deutschen stark zurückgegangen, und zwar auf den niedrigsten Stand seit Juni 2003. Auch die Einkommenserwartung sank auf den tiefsten Stand seit fast vier Jahren. Die Konsumforscher machen die hohen Energiekosten dafür verantwortlich. Die private Nachfrage ist neben dem Export maßgebliche Stütze der Konjunktur.

Grünen-Politikerin Andreae meint, dass Konjunkturprogramme generell einen guten Beitrag für das Wirtschaftswachstum leisteten, aber „Pendlerpauschale und Steuerentlastungen „in die falsche Richtung gehen“. Vielmehr müsse man private Haushalte dabei unterstützen, Energiekosten zu sparen, beispielsweise indem Gebäudesanierungen finanziell unterstützt werden. Das sorge auch für Aufträge im Bereich Energiewirtschaft. Otremba hingegen sagt, er wolle den Bürgern Geld zurückgeben, „ohne ihnen vorzuschreiben, wofür sie es verwenden sollen“.

Andreae kritisiert zudem, der Vorstoß von Glos sei wahlkampftaktisches Kalkül. Denn Freibeträge und Pendlerpauschale entlasteten vor allem Gutverdienende. Denjenigen, die keine Steuern zahlen – laut Andreae ein Drittel der Bevölkerung – bringe das nichts. Herbert Schui von den Linken glaubt, dass Glos die in das Maßnahmenpaket eingebundene Pendlerpauschale „für die Wahl in Bayern braucht“. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass Steuererleichterungen nicht zu Mehreinstellungen geführt haben, so Schui. Auch das Bundesfinanzministerium hat Entwürfen für ein Konjunkturprogramm aus dem Haus von Wirtschaftsminister Michael Glos eine Absage erteilt. Die Vorschläge würden nicht das Wirtschaftswachstum ankurbeln, sondern lediglich öffentliche Mittel verschwenden, sagte der Sprecher von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), Torsten Albig.

Peter Hohlfeld, Konjunkturexperte des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, hält den jetzigen Zeitpunkt für ein solches Programm für „genau richtig“. Die Frühindikatoren gingen nach unten. Um gegenzusteuern, sollte jetzt investiert werden. Allerdings sei das vorgeschlagene Programm nur die „zweitbeste Lösung“. Bei Steuererleichterungen bestehe die Gefahr, dass die Haushalte das Geld sparen – „Angstsparen“ nennt Hohlfeld das. Sinnvoller wäre es, wenn der Staat direkt in die Infrastruktur investiere, etwa in den Straßenbau oder das Bildungswesen. MAIKE BRZOSKA

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