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Wummern in Wolfsburg

40.000 Volkswagen-Mitarbeiter demonstrieren am Stammwerk für den Erhalt des VW-Gesetzes und gegen Porsche. Gleichzeitig holt sich der Großaktionär bei der Aufsichtsratssitzung eine blutige Nase

AUS WOLFSBURG JÜRGEN VOGES

„Volkswagen ist der Herzschlag Niedersachsens“, steht auf dem roten Transparent, das neben der VW-Konzernzentrale an der kilometerlangen Front der Wolfsburger Produktionshallen hängt. Ein wummernder Herzschlag dröhnt aus Lautsprechern, als sich die 40.000 VW-Beschäftigten vor dem Hochhaus mit dem Volkswagen-Management versammeln. In der Konzernzentrale tagt gleichzeitig der VW-Aufsichtsrat. Nur eine dreiviertel Stunde wurde dessen Sitzung unterbrochen, damit die Arbeitnehmervertreter des Gremiums zu den Demonstranten sprechen können.

Die meisten Demonstranten, die es an diesem Freitag der EU-Kommission und den Porsches zeigen wollten, waren direkt aus den Hallen und Büros des Wolfsburger VW-Stammwerk zum protestieren gekommen. Dort ruhte gestern Vormittag die Arbeit. Für das VW-Gesetz waren auch Delegationen aus anderen deutschen Volkswagen-Standorten und Fabriken in Ost- und Westeuropa nach Wolfsburg gekommen.

„Volkswagen muss Volkswagen bleiben. Ja zum VW-Gesetz!“ lautete die Parole, unter der IG Metall zum Protest aufgerufen hatte. Transparente nahmen auch den größten Volkswagen-Aktionär Porsche aufs Korn. Auf einen wurden Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und der Betriebsratsvorsitzende Uwe Hück als „zwei außer Rand und Band“ karikiert, die beim Spielen kleine VW-Käfer umwerfen. Das zweite Transparent zeigt Wiedeking als „Rattenkönig auf Beutezug“. Der Affe Wiedeking wollte darauf den Elefanten VW in einen kleinen als Porsche gekennzeichneten Eimer tauchen.

Auf den Köpfen der Demonstranten dominierten klar die roten IG-Metall-Käppis. Und mit ihren ebenfalls roten Trillerpfeifen und Tröten veranstalteten die 40.000 immer wieder einen Heidenlärm.

„Volkswagen darf niemals von einem einzigen Großaktionär beherrscht werden“, sagte der örtliche IG Metall-Chef Frank Patta. Porsche dürfe Volkswagen keinen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag aufzwingen, durch den VW zum abhängigen Tochterunternehmen würde. „Es gibt nun mal keine guten Heuschrecken – auch wenn sie Porsche heißen“, rief Patta unter dem Jubel.

Auch IG Metall Chef Berthold Huber kritisierte die Eingliederung von Volkswagen. Wenn das VW-Gesetz falle, sei „der Weg für die Beherrschung von Volkswagen durch Porsche frei“. Zu einen VW-Vorstand, der „eine Marionette an den Fäden aus Zuffenhausen“ sei, sage die IG Metall aber eindeutig nein. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer meinte, die Gegner des VW-Gesetzes wollten bei Volkswagen einen „Herr-im-Haus-Standpunkt“ durchsetzen, mit dem man sagen könne: „Wir machen hier zu und wir schmeißen da raus.“

In VW-Aufsichtsratssitzung mussten die drei Porsche-Vertreter allerdings erfahren, dass sie längst noch nicht Herr im Hause Volkswagen sind. Auf Antrag der Arbeitnehmerbank beschloss das Gremium, dass Kooperationen zwischen Porsche und Audi künftig vom VW-Aufsichtsrat genehmigt werden müssen. Aufsichtsratschef Ferdinand Piech enthielt sich bei der Abstimmung und verhalf so den Betriebsräten und Gewerkschaftern zur Mehrheit. Einmütig bei Enthaltung der drei Porsche-Vertreter wurde sogar eine neue Satzung der Volkswagen AG beschlossen, die genau dem neue von Porsche bekämpften VW-Gesetz folgt.

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