: Mit Profanität auf neun Prozent
Die Pragmatikerin Evelin Schönhut-Keil dominiert die Grünen im hessischen Wahlkampf. Und dass der Flughafenausbau die Oppositionsparteien spaltet, freut Kochs Union
WIESBADEN taz ■ Evelin „Evi“ Schönhut-Keil (42) ist die etwas andere Grüne: Die Lippen kirschrot angemalt. Der Teint – ein Hauch von Porzellan. Dazu lange blonde Haare. Und um den Hals trägt sie die Perlenkette ihrer Mutter. So gestylt wirbt die pausbäckige ehemalige Verwaltungsbeamtin auf ungezählten Wahlplakaten überall in Hessen für sich und die Partei: als Barbie für Übergrößen.
Gerne inszeniert sich Evi auch noch mit hohen Hacken und in Bluejeans als „Lady Rock“; Heavy Metal ist ihr Ding. Dennoch – oder vielleicht gerade auch deshalb – ist die Frau aus dem Main-Taunus-Kreis die unangefochtene Nummer 1 auf der Landesliste der hessischen Grünen für die Landtagswahlen am 2. Februar. Profan zu sein ist schließlich schon lange angesagt bei den Grünen in Hessen; und auch die Macht muss man (an-)packen wollen.
Auf den Listenparteitagen im August und Oktober 2002 jedenfalls traute sich keine andere grüne Spitzenfrau, gegen die passionierte Sozialpolitikerin anzutreten. Beobachtern drängte sich bei dem Spektakel die Vorstellung auf, Schönhut-Keil hätte ihre Konkurrentinnen wahrscheinlich auch mit mit einem präzisen Schlag mit der Handtasche von der Bühne gefegt. So jedenfalls pflegt die gleichfalls sehr durchsetzungsfähige und – rein optisch – durchaus mit der grünen Landesvorstandssprecherin und Landtagsabgeordneten vergleichbare US-Schauspielerin Bette Midler in ihren Komödien Mitbewerber im Kampf um ein Taxi auszuschalten.
Bei den Grünen in Hessen dagegen gibt es aktuell wenig zu lachen. Der Union mit Ministerpräsident Roland Koch an der Spitze prophezeiten die Auguren kurz vor dem Jahreswechsel sogar die absolute Mehrheit. Und die SPD von Herausforderer Gerhard Bökel wird wohl froh sein müssen, wenn sie nicht die 30-Prozent-Hürde reißt.
Selbst wenn die Grünen die ihnen prognostizierten 9 Prozent der Wählerstimmen tatsächlich bekommen sollten, wird es also nicht reichen für einen Regierungswechsel in Wiesbaden. Doch Evi kämpft noch. Das hat sie mehr als zwanzig Jahre lang getan – auf ihrem geraden Weg nach oben. Ihre Parteifreunde im Kreisverband und andere, die Evi hinter sich gelassen hat, können davon ein garstig Lied singen. Das letzte Opfer der internen Macht- und Richtungskämpfe war Vorstandssprecher Hubert Kleinert, dem – nach Absprachen zwischen Landtagsfraktion und Grüner Jugend (GJH) – ein aussichtsreicher Platz auf der Kandidatenliste verweigert wurde. Er musste sich durch Abwahl demütigen lassen. Der zum Dozieren neigende Kleinert passte einfach nicht mehr in die von Schönhut-Keil und der Mehrheit der Mitglieder der Landtagsfraktion geprägte, rein pragmatisch aus- und eingerichtete grüne Landschaft.
Dass sie es gar nicht leiden könne, wenn Ideologie in den Vordergrund geschoben werde, bekannte Schönhut-Keil zuvor schon in einem Interview mit sich selbst auf ihrer Homepage im Internet. „Ich weiß heute, dass es nicht nur wichtig ist, zu wissen, welche Position man will, sondern auch, dass man sie mit strategischem Geschick umsetzen können muss“, sagte sie dort.
Jetzt braucht Evi, die gerne kocht, ganz viel strategisches Geschick, um vielleicht doch noch hessische Sozialministerin werden zu können. Das ist ihr Ziel. Doch die CDU scheint die Wahl schon gewonnen zu haben. Da wird auch die grüne Kampagne „Karriereweiber“, die von Schönhut-Keil kurz vor Weihnachten im Landtag vorgestellt wurde, nicht mehr viel helfen.
Und weil die Grünen zudem erklärt haben, keinen Koalitionsvertrag mit der SPD zu unterschreiben, in dem der weitere Ausbau des Frankfurter Flughafens festgeschrieben wird, ist eine rot-grüne Koalition selbst im – unwahrscheinlichen – Fall eines Wahlsieges von SPD und Grünen kaum zu realisieren. Denn Bökel hat ebenso unmissverständlich erklärt, dass er den Flughafenausbau für unverzichtbar hält. Da passt also nichts zusammen. Und die CDU reibt sich die Hände.
Und was macht Evi dann? Vielleicht dem jungen Tarek Al-Wazir den Fraktionsvorsitz streitig? An Joschka Fischer bewundert sie schließlich ausschließlich „seinen Durchsetzungswillen“. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
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