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Fünf Sekunden bergab

Fast alpiner Wintersport auf Schleswig-Holsteins höchstem Hügel: Endlich wieder eine gute Saison für die Betreiber von Skilift und Glühweinbude auf dem Bungsberg in der Holsteinischen Schweiz

von RÜDIGER EWALD

Eisiger Wind bläst über Deutschlands nördlichstes Wintersportgebiet, den Bungsberg in Schleswig-Holstein. Zu Hunderten haben sie an diesem Montag die Straße durch den verschneiten Buchenwald bezwungen, die auf die mit 168 Metern höchste Erhebung des Landes führt. Die Kälte stört die Wintersportler nicht: Weil der Lift erst ab Mittag in Betrieb ist, steht nach jeder Abfahrt mit Ski, Schlitten oder Snowboard der Anstieg an.

Erstmals seit 1995 ist der Bungsberg im Kreis Ostholstein am Rande der Holsteinischen Schweiz wieder Mekka für Ski- und Schlittenfahrer und Snowboard-Freaks aus dem Norden. Seitdem der für Schleswig-Holstein ungewohnt reichhaltige Schneefall am Wochenende den Hügel mit einer gut zehn Zentimeter dicken Schneeschicht überzogen hat, läuft auch der Skilift wieder. Tausende haben das aus süddeutscher Sicht eher belächelte Skiparadies seit Sonnabend besucht, berichtet Bauer Horst Schnoor, der zusammen mit einem Landwirt Eigentümer der großen Weide unterhalb eines Fernsehturmes ist.

So ganz lässt sich der Bungsberg mit berühmten Wintersportzentren in den Mittelgebirgen oder den Alpen nicht vergleichen. Manches ist anders: Als vor gut 30 Jahren erstmals ein Skilift aufgestellt wurde, diente noch ein Traktor als Antrieb für die Schleppvorrichtung. Inzwischen hat der Lift seinen eigenen Antrieb.

Viele Betriebsstunden hat das Gerät jedoch nicht hinter sich. Schneemangel hat immer wieder dafür gesorgt, dass sich die Grasnarbe stets gut erholen konnte. „Zuletzt lief der Lift im Jahr 1995 so richtig. Da hatten wir das letzte gute Jahr“, erzählt Otto Meyer, der auf dem Bungsberg bei entsprechend winterlicher Wetterlage einen Glühweinstand betreibt. „Ich müsste erst mal nachgucken, wann wir zuletzt solche Schneeverhältnisse hatten“, sagt Liftbetreiber Schnoor. „Letztes Jahr war gar nichts.“ Die vor einigen Jahren in der Gemeinde Schönwalde, zu der die eiszeitliche Endmoräne gehört, geführte Diskussion über den Einsatz einer Schneekanone ist beendet. Die Maschine wäre zu teuer gewesen, heißt es.

Für viele Besucher, die an diesem Montag, dem letzten Tag der Weihnachtsferien, auf den Bungsberg gekommen sind, ist es das erste Mal, dass sie ihr Snowboard oder ihre Skier in Schleswig-Holstein benutzen. Wiebke Kien aus Bad Schwartau beschwert sich, dass der Lift erst ab Mittag in Betrieb ist.

Wer nicht in gemütlichen Schwüngen die wellige Piste hinuntergleitet, hat nach gut fünf Sekunden schon den Stacheldrahtzaun am Fuß des Hanges erreicht. Schlittenfahrer, wie die 18-jährige Iris Schnoor, sind da schon etwas länger unterwegs. Ihre Fahrt dauert eine halbe Minute.

Dass die Wintersportbedingungen nicht alpin sind, stört am Bungsberg niemanden. Snowboarder Matthias Curow, der mit seiner Schwester Schwünge und Sprünge übt, findet die Bedingungen „ganz okay“. Und Skifahrer Jess Hansen findet „es gut, dass ich nicht in den Harz oder nach Schweden fahren muss, wenn ich fahren will“.

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