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Deutsche Drehscheibe im Krieg

Die US-Airbase Ramstein ist eine amerikanische Kleinstadt – und hat sich bereits bei den Kriegen auf dem Balkan und in Afghanistan bewährt: Von hier wird die Luftversorgung der Soldaten organisiert. 1. Teil der taz-Serie „Stützpunkt Deutschland“

von KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Die US-Airbase Ramstein im Pfälzer Wald hat es zu einem kleinen Rekord gebracht: Sie ist der größte Stützpunkt der US-Luftwaffe außerhalb der Vereinigten Staaten. Rund 1.600 Soldatinnen und 5.400 Soldaten sind dort stationiert. Dazu kommen etwa 16.000 Familienangehörige. Die Closed Area Ramstein Airbase ist eine US-amerikanische Kleinstadt mit Schulen und Colleges, mit Kirchen und Kommunalverwaltung, mit Theater und Sportanlagen. In rund 100 Kneipen und Restaurants wird vor allem nach „Southern Style“ gegrillt.

Ramstein gehört zum 86th Airlift Wing (AW) Germany; die Soldaten können mit allen Flugzeugtypen der Nato umgehen, sie warten und beladen. Die 350 Piloten fliegen alles, was Stahlflügel oder Rotorblätter hat. Organisatorisch untersteht die Einheit der 3rd Airforce (3AF) in Großbritannien, die wiederum zu den US-Airforces in Europe (Usafe) gehört. Das Usafe-Hauptquartier wiederum ist – in Ramstein. Es wird bei der Usafe also viel Lametta über den Kanal geflogen. Ihr Operationsgebiet umfasst Europa, Afrika und den Nahen Osten. Ramstein ist auch eine Nato-Base.

Die 86er fertigen im Bedarfsfall – und das ist der Konfliktfall – auch die Maschinen der verbündeten Nationen ab. Ihre Piloten dürfen die Flugzeuge von Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Belgien, Holland und Kanada fliegen – wenn deren Einsatzzentralen dies wünschen. So ist es ausdrücklich in den „Anleitungen für das fliegende Personal“ vermerkt.

Oberbefehlshaber in Ramstein ist der Brigadegeneral Erwin F. Lessel III., der auch die US-Standorte Kaiserslautern, Sembach, Einsiedlerhof, Kapaun und das US-Hospital in Landstuhl kommandiert. „Die Mission der 86er in Ramstein ist es, Luftbrücken zu bauen für den Transport von Menschen und Material, Hilfs- und Nachschubgüter aus der Luft abzuwerfen und Soldaten und Zivilisten im Notfall zu evakuieren“, schreibt Lessel III. in seiner Kurzbiografie, die alle Newcomer in Ramstein erhalten. Die US-Airbase dient als Drehscheibe im Krieg.

Genau das wäre wohl auch der Job der 86er, falls die US-Streitkräfte den Irak angreifen sollten. Luftbrücken haben die Ramstein-Soldaten schon während der Balkankriege eingerichtet. Als Krieg gegen die Taliban in Afghanistan geführt wurde, bestand eine Luftbrücke zwischen Ramstein und der US-Base Incirlik in der Türkei. Über diese wurde nicht nur Kriegsmaterial wie Soldatenstiefel und Splitterbomben transportiert, sondern auch Hilfsgüter für die Not leidende Bevölkerung. Auch die Frontsoldaten im künftigen Wüstenkrieg werden vornehmlich aus der Luft versorgt werden müssen.

Die Usafe setzt ganz auf Ramstein. Der Flug- und Bodenbetrieb etwa auf der US-Airbase in Frankfurt am Main soll spätestens im Jahr 2005 nach Ramstein verlagert werden. Das freut die Betreibergesellschaft des Frankfurter Zivilflughafens (Fraport), weil sie sich nun noch weiter ausdehnen und neue Hallen planen kann. Daher hat sich Fraport bereit erklärt, 160 Millionen Euro der Umzugskosten zu übernehmen, die insgesamt mehr als 350 Millionen Euro betragen. Den Rest teilen sich die Länder Hessen und Rheinland-Pfalz, der Bund und die Nato.

Nicht so richtig freuen sich allerdings viele Bürger im Umland der Airbase. Denn es wird künftig noch mehr Starts und Landungen von immer größeren Transportmaschinen in Ramstein geben – und damit noch mehr Lärm und Abgase. Zudem will die Usafe eine neue Start- und Landebahn bauen. Rund 13.000 Einwendungen gegen das Projekt und die geplanten neuen Überflugrouten liegen bereits vor.

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